2021
Drei Erkenntnisse aus dem Studium des Buches Lehre und Bündnisse
Dezember 2021


Drei Erkenntnisse aus dem Studium des Buches Lehre und Bündnisse

Wir können etwas über die Beziehung des Herrn zu uns in Erfahrung bringen, wenn wir herausfinden, wie er sich der Mitglieder der Kirche in früherer Zeit angenommen hat.

Bild
illustration of Joseph Smith praying

Oben und ganz rechts: Illustrationen von Joshua Dennis; rechts: Das erdrückende Gewicht von 116 Seiten, Gemälde von Kwani Povi Winder

Als ich mich dieses Jahr mit dem Buch Lehre und Bündnisse befasst habe, ist mir aufgefallen, auf welch vielfältige Weise ich Gott kennenlerne. Manchmal spüre ich seine Gegenwart ganz unmittelbar. Oftmals bin ich überrascht, wie nahe ich mich ihm fühle, wenn ich mich in der Natur aufhalte. Ich kann auch Momente benennen, da der Herr unmissverständlich durch den Geist zu mir gesprochen hat.

In meinem Bestreben, Gott kennenzulernen, werfe ich besonders gern einen Blick zurück in die Vergangenheit. Beispielsweise bin ich oft erst mit zeitlichem Abstand in der Lage, den Sinn hinter einer mir auferlegten Prüfung zu erkennen. Ich profitiere auch davon, mich mit dem Leben derer zu befassen, die ebenso wie ich bestrebt waren, Gott kennenzulernen. Durch ihre Erfahrungen lerne ich, zielstrebig, aber geduldig zu sein und geistige Eingebungen, die mir zufließen, zu erkennen und auf sie zu vertrauen. Kurz gesagt, die Erfahrungen anderer verhelfen mir zu einem größeren Verständnis dessen, wie der Herr mit seinen Kindern umgeht.

Vielleicht ist das der Grund, warum der Herr den Heiligen anlässlich der Gründungsversammlung der Kirche geboten hat: „Siehe, ein Bericht soll unter euch geführt werden.“ (Lehre und Bündnisse 21:1.) Die von den Mitgliedern in der Anfangszeit geführten Geschichtsberichte bieten reichhaltiges Studienmaterial, aus dem ersichtlich wird, wie Gott sich unser annimmt. Ich finde es immer besonders nützlich, mich mit den Offenbarungen im Lichte ihres geschichtlichen Hintergrunds zu befassen. Hierzu verwende ich im Archiv Kirchenliteratur das Material in der Rubrik „Wiederherstellung und Geschichte der Kirche“.

Nachfolgend nun drei Erkenntnisse, die miteinander verwoben sind und die ich dieses Jahr aus meiner Beschäftigung mit dem Buch Lehre und Bündnisse und der Geschichte der noch neu wiederhergestellten Kirche gewonnen habe.

Offenbarung folgt auf Fragen

Fast alle Offenbarungen im Buch Lehre und Bündnisse sind die Antwort auf eine Frage. Nur in einem Fall scheint Gott von sich aus die Initiative ergriffen zu haben (siehe Lehre und Bündnisse 27). Die Fragen, die zu den anderen Offenbarungen führten, ergaben sich aus dem Studium der heiligen Schriften, aus schrecklichen Prüfungen oder aus der vorherrschenden Meinung der damaligen Zeit.1 Sie spiegeln den Glauben, die Neugierde, die Zweifel und die Ängste der Heiligen damals wider.

Lehre und Bündnisse 42 ist eine Antwort auf fünf konkrete Fragen dazu, wie sich die Heiligen sammeln und einander unterstützen sollen.2 Die Antworten des Herrn sind nicht nur wegen ihres Inhalts wichtig, sondern auch, weil sie uns verraten, wie Offenbarung vonstattengeht. Die Heiligen waren damals aufgrund ihrer Lebensumstände und ihres intensiven Nachdenkens vorbereitet. Sie formulierten Fragen, wandten sich an Gott und nahmen seine Antworten überaus ernst.

Führen Sie sich doch vor Augen, wie Sie auf Informationen reagieren, die aus dem Nichts zu kommen scheinen, zum Beispiel eine Werbeanzeige für Schuhe auf dem Bildschirm. Vielleicht interessiert sie Sie ja, aber viel eher werden Sie einfach über die Anzeige hinwegsehen. Sollten Sie jedoch gerade Schuhe brauchen und sind auf der Suche nach welchen, die Ihren Vorstellungen entsprechen und Ihnen passen, nehmen Sie eine solche Anzeige genau in Augenschein und entscheiden und handeln anschließend. So ist es auch, wenn wir geistig auf der Suche sind.

Der Herr achtet unsere Entscheidungsfreiheit

Unsere Entscheidungen dienen nicht nur unserer eigenen Entwicklung, sondern gestalten auch das Werk des Herrn auf Erden mit. Er ist der Dirigent, und wir gehören zu seinem Orchester. Unsere Talente, unser Werdegang und unsere Entscheidungen tragen zur Schönheit der Musik bei. Kirtland im US-Bundesstaat Ohio gewann in den Anfangstagen der Kirche unter anderem deshalb an Bedeutung, weil die ersten Missionare auf dem Weg in ihr zugewiesenes Missionsgebiet damals dort Halt machten, um Freunde zu besuchen. Ihre Kontakte dort und die inspirierte Entscheidung, Kirtland einen Besuch abzustatten, waren wichtig für die eben erst aufblühende Wiederherstellung.

Der Herr gestand Joseph Smith zu, Fehler zu machen. Das Gleiche gesteht er auch uns allen zu. Wir sind seine Kinder, und wie jeder kluge Vater nimmt er unsere Entwicklung sehr ernst und möchte, dass wir aus Erfahrung lernen.

Der Herr gestattete Joseph Smith, die ersten 116 Seiten der Übersetzung des Buches Mormon Martin Harris auszuhändigen, wohl wissend, dass sie abhandenkommen würden. Diese Erfahrung war für Joseph schmerzlich, brachte ihn aber dazu, zukünftig ein sorgfältigerer Treuhänder zu sein. Ihm wurde vergeben, und er war „wieder zum Werk berufen“ (Lehre und Bündnisse 3:10).

Bild
photo of mother and young daughter praying

Der Herr nimmt unsere Entwicklung sehr ernst und möchte, dass wir aus Erfahrung lernen.

Hier ein wenig und dort ein wenig

Der Herr hat Joseph Smith im heiligen Hain kein umfassendes Handbuch mit Anweisungen überreicht. Der weiterführende Austausch zwischen dem Herrn und dem Propheten wird durch die Offenbarungen belegt. Manchmal eröffneten sie einen Blick auf die Ewigkeit. Oftmals waren sie einfach genug für den Tagesbedarf, und Joseph wandte sich kurz darauf mit weiteren Fragen an den Herrn.

In frühen Offenbarungen wurde den Heiligen geboten, sich zu sammeln und in Missouri die Stadt Zion zu errichten. Als sie von dort vertrieben wurden, wies der Herr Joseph Smith an, den Versuch zu unternehmen, das Land zurückzugewinnen. Zunächst gab es hierzu das Zionslager, dann wurde die Regierung um Hilfe ersucht. Später erfuhr Joseph, dass Zion viel mehr ist als bloß ein Ort. Die Sammlung konnte woanders weitergehen – dort, wo die Heiligen Pfähle gründeten und Tempel bauten.3

Die Umstände, in denen die Mitglieder der Kirche leben, ändern sich im Laufe der Zeit ganz erheblich. Welch ein Segen es doch ist, fortlaufende Offenbarung zu haben! Sie trägt dazu bei, den Erfordernissen unserer sich verändernden Welt entsprechen zu können. Die Kernlehren des Evangeliums bleiben bestehen, doch innerhalb der fortdauernden Wiederherstellung müssen wir davon ausgehen, dass es immer wieder Veränderungen geben wird, denen wir uns stellen müssen.

Anmerkungen

  1. Beispielsweise empfing Joseph Smith Lehre und Bündnisse 76, als er über Johannes 5:29 nachsann. In Abschnitt 122 sprach der Herr dem Propheten Joseph Trost zu, als dieser im Gefängnis zu Liberty schmachtete. Abschnitt 87 empfing Joseph, als er über die Weigerung South Carolinas nachdachte, von der US-Regierung festgesetzte Bundesgebühren durchzusetzen.

  2. Siehe Steven C. Harper, „Das Gesetz“, in: Offenbarungen im Zusammenhang: Die Geschichten hinter den Offenbarungen im Buch Lehre und Bündnisse, history.churchofjesuschrist.org

  3. Siehe Lehre und Bündnisse 52; 103; 123; Joseph Smith, „Discourse, 8 April 1844, as Reported by Wilford Woodruff“, josephsmithpapers.org

Drucken