Kapitel 14
Lehre und Bündnisse 35 und 36; 39 und 40
Einführung und zeitlicher Überblick
Im Winter 1830 reisen Sidney Rigdon und Edward Partridge von Ohio in den Bundesstaat New York, um den Propheten Joseph Smith kennenzulernen. Die beiden haben vom wiederhergestellten Evangelium erfahren, das Oliver Cowdery, Parley P. Pratt, Ziba Peterson und Peter Whitmer Jr. in der Region um Kirtland in Ohio verkündet haben. Schon bald nachdem Rigdon und Partridge in Fayette eingetroffen sind, empfängt Joseph Smith Offenbarungen für sie. In der Offenbarung in Lehre und Bündnisse 35 überträgt der Herr Sidney Rigdon bestimmte Aufgaben in der jüngst wiederhergestellten Kirche. In der in Lehre und Bündnisse 36 aufgezeichneten Offenbarung beruft der Herr Edward Partridge dazu, das Evangelium zu predigen.
Einige Wochen danach besucht James Covel, der etwa vierzig Jahre lang Geistlicher bei den Methodisten gewesen ist, den Propheten Joseph Smith und gelobt dem Herrn, er wolle jedes Gebot befolgen, das der Herr ihm durch den Propheten gibt. Daraufhin empfängt Joseph Smith am 5. Januar 1831 die Offenbarung in Lehre und Bündnisse 39. Darin gebietet der Herr James Covel, sich taufen zu lassen und das wiederhergestellte Evangeliums zu verkünden. Nur einen Tag später verlässt Covel jedoch Fayette, ohne sich taufen zu lassen. Er „kehrt zu seinen früheren Grundsätzen und in seine früheren Kreise zurück“ (Joseph Smith, zitiert in: The Joseph Smith Papers, Documents, Volume 1: July 1828–June 1831, Hg. Michael Hubbard MacKay et al., 2013, Seite 237.) Der Herr gibt Joseph Smith dann die in Lehre und Bündnisse 40 aufgezeichnete Offenbarung und erklärt: ,James Covels „Furcht vor Verfolgung und die Sorgen der Welt ließen ihn das Wort [Gottes] verwerfen“ (LuB 40:2).
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29. Oktober 1830Oliver Cowdery, Parley P. Pratt, Ziba Peterson und Peter Whitmer Jr. verkünden einige Wochen lang im Nordosten Ohios das Evangelium.
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Anfang Dezember 1830Sidney Rigdon und Edward Partridge begeben sich von Ohio in den Bundesstaat New York, um den Propheten Joseph Smith kennenzulernen.
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7. Dezember 1830Lehre und Bündnisse 35 wird empfangen.
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9. Dezember 1830Lehre und Bündnisse 36 wird empfangen.
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11. Dezember 1830Edward Partridge wird von Joseph Smith getauft.
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2. Januar 1831Die dritte Konferenz der Kirche wird abgehalten und Joseph Smith gibt bekannt, dass sich die Heiligen in Ohio sammeln sollen.
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Januar 1831James Covel, ein Geistlicher bei den Methodisten, lernt Joseph Smith kennen.
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5. Januar 1831Lehre und Bündnisse 39 wird empfangen.
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6. Januar 1831Lehre und Bündnisse 40 wird empfangen.
Lehre und Bündnisse 35: Weitere Angaben zum geschichtlichen Hintergrund
Weniger als sechs Monate nach der Gründung der Kirche werden Oliver Cowdery, Peter Whitmer Jr., Ziba Peterson und Parley P. Pratt berufen, den Indianern das Evangelium zu predigen. Auf ihrem Weg in das westliche Grenzgebiet von Missouri machen sie Halt in Mentor und in Kirtland in Ohio, wo sie Sidney Rigdon, einem Freund von Elder Pratt und ehemaligem Geistlichen, die Botschaft des wiederhergestellten Evangeliums verkünden. Innerhalb kurzer Zeit lassen sich über 120 Leute, darunter auch Sidney Rigdon und viele aus seiner Kirchengemeinde, taufen. Dadurch verdoppelt sich die Anzahl der Mitglieder der Kirche nahezu.
Sidney Rigdon ist seit 1821 ordinierter Baptistenprediger. Kurz darauf hat er sich Alexander Campbells reformierter Baptistenbewegung angeschlossen. Die Nachfolger Campbells werden später Jünger Christi oder Campbelliten genannt. Sie halten ernsthaft nach der Wiederherstellung des Christentums des Neuen Testaments Ausschau. In Mentor und in den umliegenden Ortschaften, darunter auch in Kirtland, hat Sidney Rigdon den Ruf eines einflussreichen Predigers der reformierten Baptistenbewegung erlangt. Da Rigdon sich der Wiederherstellung des Christentums des Neuen Testaments voll und ganz verschrieben hat, sind er und seine Anhänger schon darauf vorbereitet, der Botschaft von den Missionaren aus New York aufmerksam zu lauschen.
Als Sidney Rigdon von den Missionaren ein Buch Mormon erhält, fängt er an, intensiv darin zu forschen. Sein Sohn bemerkt später, sein Vater sei so sehr in das Buch Mormon vertieft gewesen, dass „es ihm schwerfiel, es lange genug beiseitezulegen, um eine Mahlzeit zu sich zu nehmen. Er las Tag und Nacht weiter, bis er es ausgelesen hatte. Dann sann er hinlänglich darüber nach.“ (John W. Rigdon, „Lecture on the Early History of the Mormon Church“, 1906, Seite 18, Historisches Archiv der Kirche, Salt Lake City.) Als Sidney Rigdon von der Wahrheit des wiederhergestellten Evangeliums Jesu Christi überzeugt ist, sagt er zu seiner Frau Phebe: „‚Liebes, du bist mir schon einmal in die Armut gefolgt. Bist du bereit, es wieder zu tun[?]‘“ Sie antwortet: „Ich habe die Sache sorgfältig erwogen. Ich habe darüber nachgedacht, in welche Lage es uns bringen mag, welchen Preis wir bezahlen müssen, und ich gehe aus voller Überzeugung mit dir. Ja, es ist mein Wunsch, den Willen Gottes zu tun, bringe es uns Leben oder den Tod.“ (The Joseph Smith Papers, Documents, Volume 1: July 1828–June 1831, Seite 213, Anmerkung 91.)
Viele Mitglieder aus Sidney Rigdons ehemaliger Gemeinde Reformierter Baptisten, die nicht die Botschaft der Missionare annehmen, sind indes über Sidney und Phebe Rigdons Bekehrung zur jüngst wiederhergestellten Kirche erbost. Sie lassen Familie Rigdon nicht in das neue Haus einziehen, das sie für sie erbaut haben, und wollen nichts mehr mit ihnen zu tun haben. Sidney und Phebe Rigdon, die ihre Einkommensquelle, ihr Zuhause und viele ihrer Freunde und Bekannten verloren haben, ziehen mit ihren Kindern nach Kirtland, wo sie sich anderen neugetauften Mitgliedern der Kirche anschließen wollen.
Lehre und Bündnisse 35
Der Herr beruft Sidney Rigdon zu einem größeren Werk
Lehre und Bündnisse 35:2. Eins in mir, wie ich eins bin im Vater
Der Herr bringt hier nicht zum Ausdruck, er und der Vater im Himmel seien nur eine einzige Person. Er sagt: „Ich … bin [eins] im Vater, wie der Vater eins ist in mir.“ (LuB 35:2.) In dieser Schriftstelle wird also erläutert, dass der Vater im Himmel und sein Sohn Jesus Christus in ihren Absichten einig sind, wie sie einander auch dem Wesen nach und in ihrer Vollkommenheit und in ihren Eigenschaften gleichen. Sie fordern alle wahren Nachfolger auf, mit ihnen eins zu werden. Elder D. Todd Christofferson vom Kollegium der Zwölf Apostel hat erklärt, wie wir mit dem Vater und dem Sohn „eins“ werden können:
„Jesus erlangte vollkommene Einigkeit mit dem Vater, indem er sich in Fleisch und Geist dem Willen des Vaters unterwarf. Sein geistliches Wirken war immer zielgerichtet, da er völlig aufrichtig war und sich durch nichts von seinem Weg abbringen ließ. In Bezug auf seinen Vater hat Jesus gesagt: Ich tue immer das, ‚was ihm gefälltʻ (Johannes 8:29). …
Gewiss können wir erst dann mit Gott und Christus eins sein, wenn wir ihren Willen und ihre Interessen zu unserem größten Wunsch machen. Solche Ergebenheit erreicht man nicht an einem einzigen Tag, doch wenn wir dazu bereit sind, führt der Herr uns durch den Heiligen Geist, bis er nach einiger Zeit in uns ist, wie der Vater in ihm ist. Manchmal erbebe ich, wenn ich bedenke, was dafür erforderlich sein mag, aber ich weiß, dass nur in dieser vollkommenen Einigkeit die Fülle der Freude zu finden ist. Es erfüllt mich mit unaussprechlicher Dankbarkeit, dass ich eingeladen bin, eins zu sein mit diesen heiligen Wesen, die ich als meinen himmlischen Vater und als meinen Erlöser verehre und anbete.“ („Damit sie in uns eins seien“, Liahona, November 2002, Seite 72f.)
Lehre und Bündnisse 35:3. Ich habe dich für ein größeres Werk vorbereitet
Der Herr sagte Sidney Rigdon, er habe ihn und seine Werke „angesehen“ und seine Gebete vernommen (LuB 35:3). Der Herr kannte nicht nur Sidney Rigdon und dessen Erfahrung und Einsatz als protestantischer Geistlicher, sondern auch sein großes Potenzial. Er sagte auch, er habe Sidney Rigdon für „ein größeres Werk“ vorbereitet als das, was er bereits getan hatte (LuB 35:3). Zu diesem größeren Werk gehörte, dass er anderen half, die Taufe und die Gabe des Heiligen Geistes durch rechtmäßige Vollmacht zu erhalten, und ihnen dadurch die Tür dazu öffnete, die Fülle des Evangeliums Jesu Christi zu empfangen (siehe LuB 35:5,6). Wie Sidney Rigdon schenkt der Herr auch uns Gelegenheiten und Erfahrungen, die uns bereitmachen, das größere Werk zu vollbringen, zu dem er uns beruft.
Nachdem Präsident Henry B. Eyring von der Ersten Präsidentschaft über Erfahrungen aus seinem Leben gesprochen hatte, bezeugte er: „Ihr werdet sorgsam behütet, so wie es auch bei mir der Fall gewesen ist. Der Herr weiß, wozu er euch braucht und was ihr dazu wissen müsst. Er ist gütig und allwissend. Ihr könnt mit Zuversicht erwarten, dass er zur Vorbereitung auf den Dienst, den ihr leisten werdet, Gelegenheiten zum Lernen für euch bereithält. Ihr werdet diese Gelegenheiten nicht voll und ganz erkennen, ebenso wenig wie ich. Aber wenn ihr den geistigen Bereich im Leben an die erste Stelle setzt, werdet ihr mit dem Interesse gesegnet, etwas Bestimmtes zu erlernen, und ihr werdet angeregt, euch immer mehr anzustrengen. Später erkennt ihr dann, dass eure Fähigkeit zum Dienen zugenommen hat, und ihr werdet dankbar sein.“ („Education for Real Life“, Ensign, Oktober 2002, Seite 18f.)
Lehre und Bündnisse 35:4-6. Sidney Rigdon wurde wie Johannes der Täufer ausgesandt, um den Weg zu bereiten
Der Herr hat Sidney Rigdons Wirken als protestantischer Geistlicher mit dem Wirken Johannes des Täufers im Neuen Testament verglichen (siehe LuB 35:4). Beide bereiteten sie durch ihren geistlichen Dienst Menschen darauf vor, die Fülle des Evangeliums Jesu Christi zu hören und anzunehmen. Präsident Joseph Fielding Smith (1876–1972) hat sich dazu geäußert, wie Sidney Rigdon den Weg für andere bereitet hat, sodass sie die Botschaft des wiederhergestellten Evangeliums annehmen konnten: „Man sollte sorgfältig zur Kenntnis nehmen, dass eine große Anzahl starker, intelligenter Männer, die zu Führern in der Kirche wurden, mit der Hilfe des Herrn in diesem Teil des Landes von Sidney Rigdon gesammelt wurde. … Als daher Parley P. Pratt, Ziba Peterson und ihre Gefährten nach Kirtland kamen, war der Weg großteils durch das Predigen Sidney Rigdons für sie bereitet, und es war für diese Missionare ein Leichtes, diese Gruppe von der Wahrheit zu überzeugen. Obwohl Sidney Rigdon gepredigt und ohne Vollmacht durch Untertauchen getauft hatte, was ihm der Herr in dieser Offenbarung ja auch mitteilte, ergab sich daraus doch viel Gutes, als die Botschaft des Evangeliums sie erreichte. Diese Männer waren nicht nur überzeugt und zur Taufe bereit. Sie waren auch in der Verfassung, dass ihnen das Priestertum übertragen werden konnte, und so geschah es.“ (Church History and Modern Revelation, 1953, 1:160.)
Lehre und Bündnisse 35:8-11. Der Herr wirkt Wunder gemäß dem Glauben derer, die an ihn glauben
Der Herr sagte Sidney Rigdon, dass „Wundertaten, Zeichen und Wunder“ infolge von Glauben gezeigt werden (LuB 35:8; vgl. LuB 63:7-12). Wir dürfen nicht vergessen, dass Wunder und Wundertaten „nicht als Abweichung vom normalen Verlauf der Natur betrachtet werden dürfen, sondern vielmehr als Kundgebung göttlicher oder geistiger Macht. In jedem Fall wurde ein geringeres Gesetz durch die Wirkung eines höheren aufgehoben.“ (Bible Dictionary, Stichwort „Miracles“). Elder Dallin H. Oaks vom Kollegium der Zwölf Apostel beschreibt zwei Arten „echter Wunder“:
„Erstens, Wunder, die durch die Macht des Priestertums vollbracht werden, sind in der wahren Kirche Jesu Christi immer vorhanden. Im Buch Mormon heißt es: ‚So hat Gott ein Mittel bereitet, wie der Mensch durch den Glauben mächtige Wundertaten vollbringen kann.‘ (Mosia 8:18.) Dieses ‚Mittel‘ ist die Macht des Priestertums (siehe Jakobus 5:14,15; LuB 42:43-48), und diese Macht wirkt durch den Glauben Wunder (siehe Ether 12:12; Moroni 7:37). …
Eine zweite Art echter Wunder ist das Wunder, das durch die Macht des Glaubens gewirkt wird, ohne dass dazu eigens die Macht des Priestertums zu Hilfe gerufen wird. Viele dieser Wunder geschehen in unserer Kirche, etwa durch die Gebete gläubiger Frauen. Viele geschehen auch außerhalb der Kirche. Nephi hat geschrieben, dass Gott ‚sich all denen, die an ihn glauben, durch die Macht des Heiligen Geistes kundtut, ja, jeder Nation, jedem Geschlecht, jeder Sprache und jedem Volk, und mächtige Wundertaten, Zeichen und Wunder unter den Menschenkindern vollbringt, gemäß ihrem Glauben‘ (2 Nephi 26:13; siehe auch 1 Nephi 7:12; Jakobus 5:15).“ („Miracles“, Ensign, Juni 2001, Seite 8f.)
Elder Oaks hat außerdem ausgeführt, wieso manche Wunder ausbleiben, auch wenn wir genügend Glauben haben: „Ich habe von Wundern gesprochen, die sich ereignen. Was ist mit Wundern, die sich nicht ereignen? Die meisten unter uns haben schon Gebete gesprochen, die nicht durch das Wunder erhört worden sind, das wir beim Beten ersehnt haben. Ein Wunder geschieht nicht einfach dadurch, dass jemand darum bittet. … Der Wille des Herrn steht immer über allem. Mit dem Priestertum des Herrn lässt sich kein Wunder wirken, das dem Willen des Herrn entgegensteht. Wir müssen auch bedenken, dass sich ein Wunder vielleicht nicht in dem von uns gewünschten Zeitrahmen ereignet, selbst wenn sich dieses Wunder ereignen soll. Durch Offenbarung wissen wir, dass ein wundersames Ereignis ‚zu seiner eigenen Zeit … und auf seine eigene Weise‘ (LuB 88:68) geschieht.“ („Miracles“, Seite 9.)
Lehre und Bündnisse 35:13. Ich rufe das Schwache der Welt auf
Mit dem „Schwache[n] der Welt“ (LuB 35:13) sind Menschen gemeint, die nach weltlichen Maßstäben wie Einfluss, Reichtum und Bildung als schwach gelten, die der Herr aber als geistig stark betrachtet, weil sie sanftmütig, demütig und voll von Liebe sind und sich auf die Kraft und Inspiration Gottes verlassen. Präsident James E. Faust (1920–2007) von der Ersten Präsidentschaft hat darüber gesprochen, weshalb der Herr solche Menschen beruft, sein großes Werk zu tun:
„Der Herr hat für jeden von uns eine bedeutende Arbeit. Sie mögen sich fragen, wie dies sein kann. Vielleicht meinen Sie, an Ihnen oder Ihren Fähigkeiten sei nichts Besonderes oder Außergewöhnliches. …
Der Herr kann mit einem durchschnittlich begabten Menschen, der demütig und treu ist, dem Herrn eifrig dient und sich um Verbesserung bemüht, bemerkenswerte Wunder vollbringen. … Das ist so, weil letztendlich Gott die höchste Kraftquelle ist.“ („Acting for Ourselves and Not Being Acted Upon“, Ensign, November 1995, Seite 47.)
Präsident Boyd K. Packer (1924–2015) vom Kollegium der Zwölf Apostel hat dies gesagt: „Die Arbeit in der Kirche wird heute von gewöhnlichen Männern und Frauen verrichtet, die berufen und bestätigt werden, um zu präsidieren, zu lehren und zu amtieren. Durch die Macht der Offenbarung und die Gabe des Heiligen Geistes werden diejenigen, die berufen sind, dahin geführt, den Willen des Herrn zu erkennen.“ („Vom Heiligen Geist geführt“, Liahona, Mai 2011, Seite 31.)
Lehre und Bündnisse 35:13. Was bedeutet es, die Nationen mit der Macht des Geistes zu dreschen?
Das Wort dreschen in Lehre und Bündnisse 35:13 bezieht sich auf das Dreschen von Getreide. Dreschen ist ein Vorgang, bei dem eine Getreideart, wie zum Beispiel Weizen, von den Hülsen und Stängelteilen getrennt wird. Man behält das Korn, die Hülsen und Stängelteile werden weggeworfen. Daher ist mit dem Dreschen der Nationen das Werk der Evangeliumsverkündigung gemeint, sodass die Bekehrten wie Korn gesammelt werden können.
Lehre und Bündnisse 35:14. Ihr Arm wird mein Arm sein
Der Herr bedient sich hier der Symbolik einer Schlacht, damit seine berufenen Diener verstehen, wie er ihnen hilft, „mannhaft“ (LuB 35:14) oder mutig für seine Sache zu kämpfen. Der Arm, von dem in LuB 35:14 die Rede ist, steht für Macht oder Stärke. Denen, die der Herr beruft, sein Werk zu tun, verheißt er, dass seine Macht und Stärke mit ihnen sein wird. Darüber hinaus hat er seinen Dienern zugesichert, dass er „ihr Schild und ihr Schutz“ (LuB 35:14) sein wird, was heißt, dass er für sie eintritt und sie beschützt. Der Herr wird ihnen auch „die Lenden gürten“ (LuB 35:14). Diese Formulierung bezieht sich auf die Gewohnheit im alten Israel, vor der Arbeit oder einer Schlacht lose Kleidung zu raffen und unter den Gürtel oder einen Riemen zu stecken. In dieser bildhaften Sprache verheißt der Herr, er werde seinen Dienern beistehen, wenn sie das Evangelium verkünden und dadurch das zerstreute Israel sammeln.
Präsident Thomas S. Monson hat gesagt, dass der Herr uns hilft, das Werk zu tun, zu dem er uns beruft: „Einige von Ihnen sind nun vielleicht von Natur aus schüchtern oder halten sich für ungeeignet, eine Berufung anzunehmen. Denken Sie daran, dass dieses Werk nicht nur Ihr oder mein Werk ist. Es ist das Werk des Herrn, und wenn wir im Auftrag des Herrn handeln, haben wir auch ein Anrecht auf seine Hilfe. Denken Sie daran, dass der Herr die Schultern so formt, dass sie die Last tragen können, die ihnen auferlegt wird.“ („Lernen, tun, sein“, Liahona, November 2008, Seite 62.)
Lehre und Bündnisse 35:17. In Schwachheit habe ich ihn gesegnet
Der Herr beruft „das Schwache der Welt“, sein Werk zu tun (LuB 35:13), so auch Joseph Smith. Durch die Übersetzung des Buches Mormon wird beispielsweise veranschaulicht, wie der Herr den Propheten in seiner Schwäche gesegnet hat. Am Ende ihres Lebens hat Emma Smith (1804–1879) bezeugt:
„Joseph Smith … konnte [als junger Mensch] keinen zusammenhängenden und gut formulierten Brief schreiben oder diktieren; ganz zu schweigen davon, dass er ein Buch wie das Buch Mormon hätte diktieren können. Obgleich ich aktiv an der Sache beteiligt und während der Übersetzung zugegen war und Kenntnis von dem hatte, was geschah, ist das Ganze für mich ,erstaunlich und verwunderlich‘, ja, eben ein Wunder – für mich genauso wie für alle anderen auch. …
Das Buch Mormon stammt von Gott; ich habe nicht den geringsten Zweifel daran. Ich weiß genau, dass kein Mensch die Manuskripte hätte diktieren können, wenn er nicht inspiriert gewesen wäre, denn als ich [Joseph] als Schreiberin diente, diktierte er Stunde um Stunde, und wenn er nach Mahlzeiten oder Unterbrechungen wieder an die Arbeit ging, machte er unverzüglich genau dort weiter, wo er aufgehört hatte, ohne das Manuskript gesehen zu haben oder sich die letzten Sätze vorlesen zu lassen. Das war normal für ihn. Es wäre schon für einen Gelehrten ein schwieriges Unterfangen gewesen, so vorzugehen; für jemanden aber, der so unwissend und ungebildet war wie er, wäre das ganz und gar unmöglich gewesen.“ („Last Testimony of Sister Emma“, The Saintsʼ Herald, 1. Oktober 1879, Seite 290.)
Lehre und Bündnisse 35:18. Die Schlüssel zu den Geheimnissen
Mit den Schlüsseln zu den Geheimnissen der Dinge, die versiegelt worden sind (siehe LuB 35:18), sind göttliches Licht und Erkenntnis gemeint, die man nur durch Offenbarung erfahren kann. Joseph Smith hatte die Schlüssel des Priestertums inne. Somit war es ihm möglich, mit Hilfe des Geistes göttliche Erkenntnisse zu erlangen, die der Welt verborgen gewesen waren (siehe LuB 84:19). Der Prophet Joseph Smith (1805–1844) hat gesagt:
„Das Melchisedekische Priestertum … ist der Kanal, über den alle Erkenntnis, alle Lehre, der Erlösungsplan und jede wichtige Sache vom Himmel offenbart wird. …
Es ist der Kanal, über den der Allmächtige begonnen hat, am Anfang der Erschaffung dieser Erde seine Herrlichkeit zu offenbaren, und über den er sich den Menschenkindern bis zur gegenwärtigen Zeit weiter offenbart hat, und über den er seine Absichten bis ans Ende der Zeit kundtun wird.“ (Lehren der Präsidenten der Kirche: Joseph Smith, Seite 119.)
Lehre und Bündnisse 35:20. Du sollst für ihn schreiben
John Whitmer, der dem Propheten Joseph Smith bei der Übersetzung der Bibel als Schreiber gedient hatte, wurde auf Mission berufen (siehe LuB 30:9-11). Ungefähr zur gleichen Zeit ließ sich Sidney Rigdon taufen. Später fungierte größtenteils er als Schreiber bei diesem heiligen Werk. Sidney Rigdon befolgte die Anweisung des Herrn in der Offenbarung in Lehre und Bündnisse 35 und nahm umgehend die Arbeit als Schreiber für den Propheten auf. Dieser diktierte eine umfangreiche inspirierte Übersetzung von Genesis 5:22-24 (nämlich Mose 6:26 bis 8:4; siehe The Joseph Smith Papers, Documents, Volume 1: July 1828–June 1831, Seite 223, Anmerkung 147).
Der Herr sagte, die Übersetzung der Bibel werde „so gegeben werden, wie sie in [s]einem eigenen Herzen“ ist (LuB 35:20). Der Prophet Joseph Smith „übersetzte“ die Bibel nicht im herkömmlichen Sinn des Wortes. Er studierte keine alten Sprachen, um eine neue Übersetzung ins Englische zu erarbeiten. Er erhielt vielmehr die geistige Gabe, eine inspirierte Überarbeitung vorzunehmen. Während durch einige Änderungen, die der Prophet am Text vornahm, verlorengegangene Abschnitte in ihrer Urfassung wiederhergestellt wurden, korrigierte und ergänzte er an anderen Stellen den in der Bibel vorhandenen Text. Im Großen und Ganzen überarbeitete Joseph Smith Bibelstellen durch Inspiration so, dass sie den von Gott gewollten Sinn wiedergaben. Die Änderungen, die heute in der Joseph-Smith-Übersetzung der Bibel zu finden sind, stellen klare und kostbare Lehren und Bündnisse wieder her, die einst in der Bibel vorhanden gewesen sind (siehe 1 Nephi 13:28-36). Der Herr hat erklärt, dass durch die inspirierte Übersetzung weit mehr erreicht wird als bloße Informationen oder Erbauliches für die Heiligen. Er hat gesagt, dass sie auch „zur Errettung [s]einer eigenen Auserwählten“ gegeben wurde (LuB 35:20). Zudem wurden einige im Buch Lehre und Bündnisse enthaltene Offenbarungen als unmittelbares Ergebnis der Übersetzungsarbeit Joseph Smiths empfangen (siehe LuB 76; 77; 91). Die inspirierte Übersetzung der Bibel ist ein weiterer Zeuge für die göttliche Berufung und den geistlichen Dienst des Propheten Joseph Smith.
Lehre und Bündnisse 35:22. Bleibe bei ihm, verlass ihn nicht
Sidney Rigdon gehorchte dem Gebot des Herrn, er solle beim Propheten Joseph Smith bleiben (LuB 35:22), bis zum Märtyrertod des Propheten. Er war der einzige Ratgeber in der Ersten Präsidentschaft, der als solcher während der gesamten Amtszeit des Propheten tätig war. Er schrieb auch mehrere Offenbarungen nieder, von denen Joseph Smith einige in seinem Beisein empfing (siehe LuB 40; 44; 71; 73; 76; 100). Er gehorchte dem Gebot „verlass ihn nicht“ (LuB 35:22), als er 1832 in Hiram in Ohio geteert und gefedert wurde, und im Winter 1838/39 litt er mit dem Propheten im Gefängnis zu Liberty.
Lehre und Bündnisse 35:24. Ich werde die Himmel zu eurem Guten erbeben lassen
Der Herr verhieß Sidney Rigdon, er „werde die Himmel zu [seinem] Guten erbeben lassen“ (LuB 35:24). Sie können erklären, dass erbeben in diesem Sinne in etwa bedeutet, etwas loszulösen oder freizugeben. Folglich kann dieser Vers so interpretiert werden: Wenn die Himmel „zu [unserem] Guten“ erbeben, werden Offenbarungen und Segnungen freigegeben und auf uns ausgeschüttet.
Lehre und Bündnisse 36: Weitere Angaben zum geschichtlichen Hintergrund
Der Prophet Joseph Smith beschreibt Edward Partridge als „ein Muster an Frömmigkeit und einer der großen Männer des Herrn“ (Manuskript History of the Church, 1838–1856, Band A-1, Seite 78). Edward Partridge ist ein erfolgreicher Unternehmer aus Painesville in Ohio und an seinem Wohnort sehr angesehen. Er und seine Frau Lydia hören, wie Oliver Cowdery, Parley P. Pratt und ihre Begleiter das wiederhergestellte Evangelium verkünden. Lydia Partridge lässt sich schon bald taufen, doch ihr Mann bleibt skeptisch. Schwester Partridge schreibt, ihr Mann „glaube teilweise, müsse aber eine Reise in den Bundesstaat New York machen und den Propheten aufsuchen“, bevor er sich überzeugen lasse (Bericht von Lydia Partridge im genealogischen Bericht von Edward Partridge, 1878, Seite 6, Historisches Archiv der Kirche, Salt Lake City). Edward Partridge reist gemeinsam mit Sidney Rigdon nach New York, wo sie im Dezember 1830 eintreffen. Nachdem Partridge bei einer Predigt des Propheten Joseph Smith anwesend gewesen ist, gibt er bekannt, er glaube an das wiederhergestellte Evangelium und sei bereit, sich taufen zu lassen, wenn der Prophet ihn taufen wolle. Bald danach diktiert der Prophet eine Offenbarung an Edward Partridge, die heute in Lehre und Bündnisse 36 steht. Zwei Tage darauf, am 11. Dezember 1830, lässt sich Edward Partridge von Joseph Smith taufen.
Lehre und Bündnisse 36
Der Herr vergibt Edward Partridge und beruft ihn dazu, das Evangelium zu predigen
Lehre und Bündnisse 36:2. Ich werde dir meine Hand auflegen durch die Hand meines Knechtes
In Lehre und Bündnisse 36:2 sagt der Herr, er werde Edward Partridge „[s]eine Hand auflegen durch die Hand [s]eines Knechtes Sidney Rigdon“ und ihm die Gabe des Heiligen Geistes geben. Präsident Harold B. Lee (1899–1973) hat dargelegt, dass dieser Vers ein Beispiel dafür ist, wie der Herr durch seine Diener seine Macht offenbart: „Der Herr sagt hier [in LuB 36:2], wenn einer seiner bevollmächtigten Knechte jemandem mit Vollmacht die Hände auflegt und ihm einen Segen spendet, dann ist es so, als würde der Herr selbst die Hand mit auflegen und diese heilige Handlung mit vollziehen. Daraus können wir ersehen, wie er mittels seiner Knechte, denen er die Schlüssel der Vollmacht übertragen hat, seine Macht unter den Menschen kundtut.“ (Be Secure in the Gospel of Jesus Christ, Brigham Young University Speeches of the Year, 11. Februar 1958, Seite 6.)
Lehre und Bündnisse 36:2,3. Das Friedfertige des Reiches
Der Herr beauftragte Edward Partridge, sein Evangelium oder „das Friedfertige des Reiches“ zu verkünden, das ihn der Heilige Geist lehren werde (siehe LuB 36:1,2). Elder M. Russell Ballard vom Kollegium der Zwölf Apostel hat dargelegt, wie das Evangelium Jesu Christi Frieden bringt: „Friede – wahrer Friede, der Ihr innerstes Wesen erfüllt – kommt nur im und durch den Glauben an den Herrn Jesus Christus. Tiefer Friede kann das Herz und die Seele der Kinder des himmlischen Vaters erfüllen, wenn man diese kostbare Wahrheit entdeckt und die Grundsätze des Evangeliums versteht und anwendet. Der Erretter hat durch Joseph Smith gesagt: ‚Derjenige, der die Werke der Rechtschaffenheit tut, [wird] seinen Lohn empfangen, nämlich Frieden in dieser Welt und ewiges Leben in der künftigen Welt.‘ (LuB 59:23.)“ („The Peaceable Things of the Kingdom“, Ensign, Mai 2002, Seite 88.)
Lehre und Bündnisse 36:6. Was bedeutet es, „aus dem Feuer [herauszukommen] und …sogar das Gewand [zu hassen], das befleckt ist vom Fleische“?
Den Heiligen wird geboten, „das Gewand, das befleckt ist vom Fleische“, zu hassen (LuB 36:6); siehe auch Judas 1:23; Offenbarung 3:4). Präsident Joseph Fielding Smith (1876–1972) hat erläutert: „Der Ausdruck ist zwar sinnbildlich, aber doch klar zu verstehen. Diese Generation [ist schlecht], sie wandelt in geistiger Finsternis, und von der Strafe für Sünde wird als Strafe im Feuer gesprochen. Ein vom Fleische beflecktes Gewand ist durch Handlungen beschmutzt, die von fleischlichen Begierden und Ungehorsam gegenüber den Geboten des Herrn geprägt sind. Uns ist geboten, unsere Gewänder von jeglicher Sünde und jeder verunreinigenden Handlung unbefleckt zu halten. Aus diesem Grund ist uns geboten, aus der Welt der Schlechtigkeit herauszukommen und Weltliches aufzugeben.“ (Church History and Modern Revelation, 1:163.)
Lehre und Bündnisse 39: Weitere Angaben zum geschichtlichen Hintergrund
Bei der dritten Konferenz der Kirche (sie findet Anfang Januar 1831 in Fayette im Bundesstaat New York statt) besprechen die Heiligen das Gebot des Herrn, dass sie nach Ohio ziehen sollen (siehe LuB 37:3; 38:32). Möglicherweise nimmt damals auch ein Methodistenprediger namens James Covel an der Konferenz teil und sucht anschließend das Gespräch mit Führern der Kirche. Es hat den Anschein, dass er bereit ist, sich zum wiederhergestellten Evangelium zu bekehren. Laut John Whitmer schließt James Covel „mit dem Herrn einen Bund, dass er jedes Gebot befolgen werde, das der Herr ihm durch seinen Knecht Joseph kundtun wird“ (The Joseph Smith Papers, Documents, Volume 1: July 1828–June 1831, Seite 233f.). Am 5. Januar 1831 empfängt der Prophet Joseph Smith eine Offenbarung für James Covel.
In der ersten Niederschrift der Offenbarung in Lehre und Bündnisse 39 steht nur, dass es sich um eine Offenbarung handle, die jemandem mit dem Namen James gegeben wurde. Als die Offenbarung dann veröffentlicht wird, wird der Name des Empfängers erweitert auf „James (C.)“. In der Auflage des Buches Lehre und Bündnisse aus dem Jahr 1835 ist der Name dann als „James Covill“ angegeben. In der Auflage von 1981 wurde hinzugefügt, dass er Geistlicher bei den Baptisten gewesen war. Neueste Forschungen haben jedoch ergeben, dass diese Offenbarung an James Covel gerichtet war, einen Geistlichen bei den Methodisten.
Lehre und Bündnisse 39
Jesus Christus gebietet James Covel, sich taufen zu lassen und im Weingarten des Herrn zu arbeiten
Lehre und Bündnisse 39:5,6. Wer mein Evangelium empfängt, der empfängt mich
Wer Jesus Christus empfangen möchte, muss bereit sein, zu glauben und seinem Evangelium zu folgen, also auch umzukehren, sich taufen zu lassen und die Gabe des Heiligen Geistes zu empfangen. Da James Covel etwa vierzig Jahre lang Methodistenprediger gewesen war, könnte er der Meinung gewesen sein, dass er den Erretter und sein Evangelium bereits empfangen habe. Dennoch geht aus der Botschaft des Herrn an James Covel hervor, dass er von seinen Sünden umkehren und sich durch die Taufe der wiederhergestellten Kirche des Herrn anschließen müsse. Heute lautet die Botschaft des Herrn nicht anders. Er gebietet den Menschen überall – ungeachtet des Glaubens, zu dem sie sich bekennen, oder einer früheren Taufe in einer anderen christlichen Glaubensgemeinschaft –, ihn dadurch zu empfangen, dass sie das wiederhergestellte Evangelium annehmen, von ihren Sünden umkehren und sich von einem seiner bevollmächtigten Diener taufen lassen.
Lehre und Bündnisse 39:7-9. Dein Herz ist jetzt vor mir recht
Der Herr tut kund, dass James Covel in der Vergangenheit mit Stolz zu kämpfen hatte und in die Sorgen der Welt verstrickt war (siehe LuB 39:9). Zu dem Zeitpunkt, als die Offenbarung in Lehre und Bündnisse 39 empfangen wurde, war sein Herz jedoch recht vor Gott (siehe LuB 39:8). Elder Dallin H. Oaks vom Kollegium der Zwölf Apostel hat erläutert, dass wir auf die Wünsche unseres Herzens einwirken können, sodass unser Herz vor Gott recht wird:
„Wann ist unser Herz denn recht vor Gott? Es ist recht vor Gott, wenn wir uns aufrichtig das wünschen, was rechtschaffen ist – wenn wir uns das wünschen, was Gott sich wünscht.
Unsere gottgegebene Willenskraft macht uns zum Herrn über unsere Wünsche. Allerdings brauchen wir vielleicht viele Jahre, bis wir sicher sind, sie dahingehend erzogen und geformt zu haben, dass sie vollkommen rechtschaffen sind.
Präsident Joseph F. Smith hat gesagt: ‚Unsere Wünsche zu erziehen, ist von weitreichender Bedeutung für ein glückliches Leben.‘ (Gospel Doctrine, Deseret Book Co., Salt Lake City 1939, Seite 297.)
Wie erziehen wir nun unsere Wünsche? Ich denke, das fängt bei unseren Gefühlen an. Herzenswünsche sitzen sehr tief und sind in unserem Wesen verankert. Unsere Gefühle liegen dichter an der Oberfläche. Sie lassen sich leichter erkennen und beeinflussen. …
Wer rechtschaffene Wünsche haben möchte, muss seine Gedanken beherrschen und untadelige Gefühle zum Vorschein bringen. Meine verwitwete Mutter hat diesen Grundsatz gut verstanden. ‚Betet, was eure Gefühle betrifft‘, sagte sie immer. Sie hat uns drei Kindern beigebracht, dass wir darum beten müssen, dass wir alles, was uns widerfährt, sei es nun gut oder schlecht, mit den rechten Gefühlen aufnehmen und dass wir auch wegen unserer Gefühle unserem Nächsten gegenüber beten sollen. Sind unsere Gefühle recht, dann handeln wir wahrscheinlich auch richtig und aus den richtigen Beweggründen heraus.“ („The Desires of Our Hearts“, Ensign, Juni 1986, Seite 65.)
Lehre und Bündnisse 39:9. Du hast mich viele Male wegen des Stolzes verworfen
Aus der Sicht des Herrn hatte James Covel in der Vergangenheit mit Stolz zu kämpfen gehabt und den Herrn verworfen. Präsident Ezra Taft Benson (1899–1994) hat darüber gesprochen, wie Stolz uns daran hindern kann, das Gotteswort und die Vollmacht Gottes anzunehmen:
„Der Stolze kann nicht akzeptieren, dass die Vollmacht Gottes ihm im Leben Weisung gibt (siehe Helaman 12:6). Er bietet seine Auffassung von der Wahrheit gegen Gottes große Erkenntnis von der Wahrheit auf, seine Fähigkeiten gegen Gottes Priestertumsmacht, seine Verdienste gegen Gottes mächtige Werke. …
Der Stolze wünscht, Gott wäre seiner Meinung. Er ist nicht daran interessiert, seine Ansichten in Übereinstimmung mit denen Gottes zu bringen. …
Der Stolze tut sich schwer mit Ratschlägen und Zurechtweisung (siehe Sprichwörter 15:10; Amos 5:10). Er geht immer in die Defensive, um seine Schwächen und Fehler zu rechtfertigen und zu entschuldigen (siehe Matthäus 3:9; Johannes 6:30-59). …
Der Stolze ist unbelehrbar (siehe 1 Nephi 15:3,7-11). Er ändert seine Meinung nicht, um eine Wahrheit zu akzeptieren, denn das hieße ja, dass er Unrecht hatte.“ (Lehren der Präsidenten der Kirche: Ezra Taft Benson, Seite 263, 266f.)
Lehre und Bündnisse 39:12. Macht wird auf dir ruhen und ich werde mit dir sein
Der Herr hat James Covel verheißen, wenn er sich taufen ließe, werde er Macht, großen Glauben und Unterstützung von Gott empfangen. Elder Joseph B. Wirthlin (1917–2008) vom Kollegium der Zwölf Apostel hat erläutert, wie die Verheißung des Herrn in Lehre und Bündnisse 39:12 auch heute für die Mitglieder der Kirche gilt: „Was James [Covel] hier in dieser Evangeliumszeit gesagt wird, als die Kirche erst neun Monate alt ist, gilt heute in gleichem Maße für uns. Es ist eine bemerkenswerte und machtvolle Wiederholung der Verheißung, die der Erretter im Lauf seines geistlichen Wirkens auf Erden ausgesprochen hat. Sein Versprechen, er werde mitten unter uns sein, wenn sich zwei oder drei in seinem Namen versammeln, ist ein herrlicher Beweis seiner grenzenlosen Liebe für einen jeden von uns und gibt uns die Gewissheit, dass er bei unserem Dienst in der Kirche, in unserem persönlichen Leben und im Familienkreis bei uns ist.“ („There Am I in the Midst of Them“, Ensign, Mai 1976, Seite 55.)
Lehre und Bündnisse 39:21. Den Tag oder die Stunde weiß kein Mensch
Im Januar 1831 hat der Herr wiederholt, was er bereits seinen Jüngern in Jerusalem gesagt hatte – dass niemand die Zeit seines Zweiten Kommens kennt (siehe LuB 39:21; siehe auch Matthäus 24:36). Elder M. Russell Ballard vom Kollegium der Zwölf Apostel hat festgestellt:
„Als einer der Apostel bin ich in dieser aufregenden, aber auch schwierigen Zeit als besonderer Zeuge für Jesus Christus berufen, aber ich weiß nicht, wann er wiederkommt. Soweit mir bekannt ist, weiß es auch keiner meiner Brüder im Kollegium der Zwölf und nicht einmal in der Ersten Präsidentschaft. Und in aller Demut schließe ich daraus: Wenn wir es nicht wissen, dann weiß es niemand, ganz gleich, wie überzeugend die Argumentation oder wie plausibel die Berechnungen sein mögen. Der Heiland hat gesagt: ‚Aber den Tag und die Stunde weiß keiner; nein, auch nicht die Engel Gottes im Himmel, sondern allein mein Vater.‘ (Joseph Smith – Matthäus 1:40.)
Ich glaube, wenn der Herr sagt, dass ‚keiner‘ es weiß, dann meint er es auch so.“ („When Shall These Things Be?“, Ensign, Dezember 1996, Seite 56.)
Lehre und Bündnisse 40: Weitere Angaben zum geschichtlichen Hintergrund
Am 6. Januar 1831, dem Tag, nachdem die Offenbarung in Lehre und Bündnisse 39 empfangen worden ist, verlässt James Covel ganz unvermittelt Fayette. Am selben Tag gibt der Herr dem Propheten Joseph Smith und Sidney Rigdon die Offenbarung in Lehre und Bündnisse 40, in der er erklärt, wieso James Covel das Wort verworfen hat. Der Prophet Joseph Smith sagt später, Covel habe „das Wort des Herrn [verworfen] und [sei] zu seinen früheren Grundsätzen und in seine früheren Kreise zurück[gekehrt]“ (The Joseph Smith Papers, Documents, Volume 1: July 1828–June 1831, Seite 237).
Lehre und Bündnisse 40
Der Herr tut kund, warum James Covel nicht auf seine Worte gehört hat
Lehre und Bündnisse 40:2. Die Furcht vor Verfolgung und die Sorgen der Welt ließen ihn das Wort verwerfen
Ähnlich der im Gleichnis vom Sämann im Neuen Testament verwendeten Sprache erwähnt der Herr hier, dass James Covel „das Wort mit Freuden [empfing]“, ihn dann aber „die Furcht vor Verfolgung und die Sorgen der Welt … das Wort verwerfen“ ließen (LuB 40:2; siehe Matthäus 13:20-22). Der Herr tut kund, dass James Covels Herz vor ihm recht gewesen war (siehe LuB 40:1) und dass das Wort wirklich in seinem Herzen Wurzeln geschlagen hatte. Doch trotz alledem entschied Covel sich dafür, seinen Bund mit dem Herrn zu brechen (siehe LuB 40:3).
Als James Covel vom wiederhergestellten Evangelium Jesu Christi hörte, war er etwa 60 Jahre alt. Er stand an führender Stelle in der Reformbewegung unter den Methodisten und hatte sich in den über 40 Jahren als Wanderprediger ein weitreichendes Netzwerk aufgebaut. Außerdem waren zwei seiner Söhne Methodistenprediger. Hätte er sich der Kirche angeschlossen und wäre er westwärts nach Ohio gezogen, um dem Ruf des Herrn zu folgen und das Evangelium zu verkünden, so hätte er sein Zuhause in New York verlassen und die Verbindung zu seinem bisherigen Freundes- und Bekanntenkreis abbrechen müssen. Das Opfer, das der Herr von ihm verlangte, war offensichtlich zu groß für ihn. Der Widersacher versuchte ihn, und die Furcht vor Verfolgung und persönlichen Verlusten ließen ihn das Gotteswort verwerfen.
Präsident Thomas S. Monson hat die Mitglieder der Kirche zu Mut angesichts von Spott und Widerstand aufgerufen: „[Wir sind] mit Furcht, Hohn und Widerstand konfrontiert. Haben wir doch den Mut, der Allgemeinheit zu trotzen und für Grundsätze einzutreten. Mut, nicht Konformität, findet die Zustimmung Gottes. Mut wird zu einer echten und anziehenden Tugend, wenn er sich nicht in der Bereitschaft erschöpft, wie ein Mann zu sterben, sondern sich auch in der Entschlossenheit zeigt, anständig zu leben. Jemand, der sich fürchtet, das zu tun, was er für richtig hält, weil andere anderer Meinung sind oder ihn auslachen, ist moralisch ein Feigling. Vergessen Sie nicht: Jeder Mensch hat Ängste. Wer sich aber seinen Ängsten mit Würde stellt, beweist auch seinen Mut.“ („Lasst uns mutig sein!“, Liahona, Mai 2004, Seite 55.)
Elder Dale G. Renlund vom Kollegium der Zwölf Apostel hat erzählt, wie die Sorgen der Welt einmal beinahe dazu geführt hatten, dass er im Bemühen, die Gebote zu befolgen, nachlässig wurde:
„1980 bezog ich mit meiner Familie eine Wohnung gegenüber von dem Krankenhaus, wo ich mein Praktikum absolvierte. Ich arbeitete jeden Tag, auch sonntags. Wenn ich am Sonntag um 14:00 Uhr Feierabend machte, konnte ich zusammen mit meiner Frau und meiner Tochter zur Kirche fahren, um die Versammlung um 14:30 Uhr zu besuchen.
An einem Sonntag gegen Ende meines ersten Ausbildungsjahres wusste ich, dass ich vermutlich wieder um 14:00 Uhr fertig sein würde. Ich wusste aber auch, dass meine Frau und meine Tochter ohne mich fahren würden, wenn ich nur ein klein wenig länger im Krankenhaus blieb. In dem Fall könnte ich nach Hause gehen und ein dringend benötigtes Nickerchen machen. Leider muss ich sagen, dass ich genau das tat. Ich wartete bis 14:15 Uhr, ging langsam nach Hause und legte mich auf die Couch, um mich auszuruhen. Aber ich konnte nicht einschlafen. Ich war beunruhigt und besorgt. Ich war immer sehr gern in die Kirche gegangen. Ich fragte mich, wo das Feuer meines Zeugnisses und die Begeisterung, die ich sonst verspürt hatte, an diesem Tag geblieben waren.
Ich musste nicht lange nachdenken. Durch meinen Dienstplan war ich mit dem Beten und dem Schriftstudium nachlässig geworden. Ich stand am Morgen auf, sprach mein Gebet und ging zur Arbeit. Oft ging der Tag in die Nacht und in den nächsten Tag über, und erst spät am nächsten Abend kam ich wieder nach Hause. Dann war ich so müde, dass ich einschlief, ohne ein Gebet zu sprechen oder in den heiligen Schriften zu lesen. Am nächsten Tag begann wieder alles von vorn. Das Problem war, dass ich es versäumte, das Grundlegende zu tun, was verhindert hätte, dass mein machtvoll gewandeltes Herz zu Stein wurde.
Ich stand von der Couch auf, kniete nieder und bat Gott um Vergebung. Ich versprach meinem Vater im Himmel, dass ich mich ändern würde. Am nächsten Tag nahm ich ein Buch Mormon mit ins Krankenhaus. An diesem Tag und seither an allen folgenden Tagen standen zwei Punkte auf meiner Aufgabenliste: wenigstens morgens und abends beten und in den heiligen Schriften lesen. Manchmal wurde es Mitternacht, dann suchte ich mir schnell einen ruhigen Ort, wo ich beten konnte. An manchen Tagen war mein Schriftstudium kurz. Ich versprach dem himmlischen Vater außerdem, dass ich immer versuchen würde, in die Kirche zu gehen, selbst wenn ich einen Teil der Versammlung verpasste. Schon nach ein paar Wochen kehrte meine Begeisterung zurück und das Feuer meines Zeugnisses brannte wieder in mir. Ich versprach, nie wieder – wie die Umstände auch sein mochten – in diese tödliche Falle zu geraten, nämlich in diesen scheinbar kleinen Gepflogenheiten nachlässig zu werden und dadurch das, was von ewiger Natur ist, in Gefahr zu bringen.“ („Bewahren Sie sich die mächtige Wandlung des Herzens“, Liahona, November 2009, Seite 98f.)