Kapitel 19
Lehre und Bündnisse 50
Einführung und zeitlicher Überblick
Als der Prophet Joseph Smith Anfang Februar 1831 in Kirtland in Ohio ankommt, muss er feststellen, dass sich unter den Mitgliedern „seltsame Ideen und falsche Geister eingeschlichen“ haben. Er fängt an, mit „einiger Vorsicht und Weisheit“ zu lehren, um diesen irrigen geistigen Kundgebungen ein Ende zu bereiten (Manuskript History of the Church, Band A-1, Seite 93, josephsmithpapers.org). Einige Monate später kehrt Elder Parley P. Pratt von einer Mission zurück und stellt in Zweigen der Kirche außerhalb Kirtlands ein ähnliches Verhalten fest. Er und mehrere Älteste bitten Joseph Smith um Weisung (siehe Manuskript History of the Church, Band A-1, Seite 114, josephsmithpapers.org). Im Mai 1831 befragt der Prophet den Herrn in Bezug auf diese Angelegenheit und empfängt die Offenbarung in Lehre und Bündnisse 50. In dieser Offenbarung weist der Herr die Heiligen an, das Evangelium durch den Geist der Wahrheit zu lehren und zu empfangen.
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Frühjahr 1831Einige Mitglieder der Kirche in Kirtland lassen sich von falschen geistigen Kundgebungen beeinflussen.
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Ende März 1831Parley P. Pratt kehrt von einer Mission im Indianerterritorium und in Missouri nach Kirtland zurück.
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30. April 1831Emma Smith bringt Zwillinge – einen Sohn und eine Tochter – zur Welt, die innerhalb weniger Stunden sterben.
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9. Mai 1831Lehre und Bündnisse 50 wird empfangen.
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9. Mai 1831Joseph und Emma Smith adoptieren die Zwillinge von John und Julia Murdock, bei deren Entbindung Julia Murdock am 30. April gestorben war.
Lehre und Bündnisse 50: Weitere Angaben zum geschichtlichen Hintergrund
Im Spätherbst des Jahres 1830 trägt Elder Parley P. Pratt mit drei weiteren Missionaren zur Bekehrung von mehr als 100 Menschen im Umland von Kirtland bei. Er setzt seine Mission, den Indianern das Evangelium zu verkünden, westlich von Missouri fort und kehrt Ende März 1831 nach Ohio zurück. Dort wird er Zeuge merkwürdiger Verhaltensweisen seitens einiger Mitglieder in Kirtland. Er berichtet: „Als ich die verschiedenen Zweige aufsuchte, traten einige sehr sonderbare geistige Kundgebungen zutage, allesamt widerwärtig und nicht erbaulich. Manch einer schien in Verzückung zu geraten, machte unschickliche Gesten oder verzerrte das Gesicht. Andere waren wie im Rausch und verrenkten sich, hatten Krämpfe oder Anfälle. Wieder andere schienen Visionen und Kundgebungen zu empfangen, die nicht erbaulich und der Lehre und dem Geist des Evangeliums nicht zuträglich waren. Kurz, es schien, als ob sich ein falscher und lügnerischer Geist in die Kirche eingeschlichen habe.“ (Autobiography of Parley P. Pratt, Hg. Parley P. Pratt Jr., 1938, Seite 61.)
Der Prophet Joseph Smith beschreibt die falschen geistigen Kundgebungen, die es damals gab, folgendermaßen: „Bald nachdem das Evangelium in Kirtland Fuß gefasst hatte, traten während der Abwesenheit der Autoritäten der Kirche viele falsche Geister auf, wurden viele seltsame Visionen geschaut und wilde, schwärmerische Vorstellungen vorgebracht. Menschen stürzten unter dem Einfluss dieses Geistes ins Freie, und einige stellten sich auf Baumstümpfe und fingen an zu schreien, und sie ließen sich auf allerlei Überspanntheiten ein. So sagte einer, er sehe eine Kugel in der Luft fliegen, und rannte ihr hinterher, bis er an einen Abgrund kam, wo er dann im Geäst eines Baumes hängenblieb, was ihm das Leben rettete. Man ließ sich auf viele lächerliche Sachen ein, die die Kirche Gottes in Verruf bringen, den Geist Gottes vertreiben und jene herrlichen Grundsätze ausrotten und zunichte machen sollten, die zur Errettung der Menschheit hervorgebracht worden waren.“ (Manuskript History of the Church, Band C-1, page 1311, josephsmithpapers.org.)
Parley P. Pratt zufolge führt dieses befremdliche Verhalten dazu, dass der Prophet um eine Klarstellung gebeten wird: „Im Bewusstsein unserer Schwäche und Unerfahrenheit und damit wir bezüglich dieser geistigen Erscheinungen nicht ein falsches Urteil trafen, gingen wir, John Murdock, etliche andere Älteste und ich, zu Joseph Smith und baten ihn, wegen dieser Geister oder Kundgebungen den Herrn zu befragen.“ (Autobiography of Parley P. Pratt, Seite 61f.)
Lehre und Bündnisse 50:1-9
Der Herr warnt die Ältesten der Kirche vor falschen Geistern
Lehre und Bündnisse 50:2,3. Der Satan hat danach getrachtet, euch zu täuschen
Der Herr weist die Heiligen warnend darauf hin, dass es auf der Erde falsche Geister gibt, die – gemeinsam mit dem Satan – Gottes Kinder täuschen und zu Fall bringen wollen. Präsident Boyd K. Packer (1924–2015) vom Kollegium der Zwölf Apostel hat gemahnt, dass sich die Mitglieder der Kirche nicht von betrügerischen Gefühlen oder falschen Geistern in die Irre führen lassen dürfen:
„Seien Sie immer auf der Hut, damit Sie nicht durch Eingebungen aus einer unwürdigen Quelle getäuscht werden. Sie können falsche geistige Botschaften bekommen. Es gibt falsche Geister, und es gibt ebenso falsche Engel. (Siehe Moroni 7:17.) …
Unser geistiges Wesen ist so eng mit unserer Gefühlswelt verknüpft, dass wir Gefühlsregungen fälschlicherweise für etwas Geistiges halten können. Gelegentlich trifft man auf Menschen, die meinen, geistige Eingebungen von Gott zu erhalten, doch diese Eingebungen rühren in Wirklichkeit von ihren Emotionen oder vom Widersacher her.“ („The Candle of the Lord“, Ensign, Januar 1983, Seite 55f.)
Ein anderes Mal hat Präsident Packer darüber gesprochen, wie wichtig es ist, zwischen einer Versuchung des Teufels und einer wahren Offenbarung des Herrn zu unterscheiden:
„Es gibt falsche Offenbarungen, Eingebungen des Teufels, Versuchungen! So lange ihr lebt, wird der Widersacher auf die eine oder andere Weise versuchen, euch vom Weg abzubringen. …
Der Prophet Joseph Smith sagt: ‚Nichts kann den Menschenkindern mehr schaden, als dass sie unter dem Einfluss eines falschen Geistes stehen, dabei aber meinen, sie hätten den Geist Gottes.‘ [Lehren der Präsidenten der Kirche: Joseph Smith, Seite 429.] …
Solltet ihr jemals eine Eingebung empfangen, etwas zu tun, was euch ein ungutes Gefühl gibt, etwas, wovon euch euer Verstand sagt, dass es falsch ist und den Grundsätzen der Rechtschaffenheit widerspricht, dann geht nicht darauf ein!“ („Personal Revelation: The Gift, the Test, and the Promise“, Ensign, November 1994, Seite 61.)
Lehre und Bündnisse 50:4-9. Täuschen und heucheln
Der Herr warnt die Heiligen in Kirtland vor jenen Mitgliedern, die „täuschen und heucheln“ (LuB 50:6). Elder M. Russell Ballard vom Kollegium der Zwölf Apostel hat darüber gesprochen, dass wir uns vor falschen Propheten und Irrlehrern hüten müssen:
„Als Apostel des Herrn Jesus Christus sind wir verpflichtet, Wächter auf dem Turm zu sein und die Mitglieder zu warnen, damit sie sich vor den falschen Propheten und den falschen Lehrern hüten, die auf der Lauer liegen, um den Glauben und das Zeugnis zu zerstören. Wir warnen Sie heute: Es treten falsche Propheten und falsche Lehrer auf, und wenn wir nicht Acht geben, werden sogar treue Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ihnen zum Opfer fallen. …
Wenn wir an falsche Propheten und falsche Lehrer denken, fallen uns meist diejenigen ein, die eine offensichtlich falsche Lehre vertreten oder vorgeben, sie hätten die Vollmacht, das wahre Evangelium Christi entsprechend ihrer Auslegung zu lehren. Wir nehmen häufig an, solche Menschen ständen mit kleinen, radikalen Gruppen am Rand der Gesellschaft in Verbindung. Aber ich wiederhole: Es gibt falsche Propheten und falsche Lehrer, die Mitglieder der Kirche sind oder dies zumindest behaupten. Es gibt Menschen, die – ohne jede Vollmacht – behaupten, die Kirche stände hinter ihren Produkten und Praktiken. Hüten Sie sich vor solchen Menschen.“ („Hütet euch vor falschen Propheten und falschen Lehrern“, Liahona, Januar 2000, Seite 74.)
Einige Mitglieder in Kirtland benahmen sich, als hätten sie geistige Kraft oder Vollmacht, die sie gar nicht besaßen. Deshalb nannte der Herr sie jene, die „täuschen und heucheln“ (LuB 50:6). Elder Joseph B. Wirthlin (1917–2008) vom Kollegium der Zwölf Apostel hat den Begriff Heuchelei erläutert und uns eindringlich aufgefordert, sie in uns auszumerzen:
„Heuchelei [bedeutet, dass] man vorgibt, tugendhaft oder rechtschaffen zu sein [oder] etwas zu sein, was man gar nicht ist. Wenn wir wissen, was richtig ist und vorgeben, gemäß dieser Erkenntnis zu leben, es jedoch in Wirklichkeit nicht tun, sind wir Heuchler. Der Erretter hat die Heuchler unmissverständlich gebrandmarkt [siehe Matthäus 23:27-28; LuB 50:6,8]. …
Was sollen die Heiligen der Letzten Tage tun? Die Antwort ist ganz einfach. Die Heiligen sollen ohne jede Falschheit sein, und zwar in jedem Lebensbereich: in der Familie, in ihrer Berufung in der Kirche, in allen Geschäftsangelegenheiten und vor allem im privaten und persönlichen Bereich ihres Lebens, den nur sie und der Herr kennen.
Ich lege uns allen nahe, dass wir unser Herz überprüfen, um festzustellen, ob unsere Beweggründe und unser Handeln rein und über jeden Tadel erhaben sind, und um festzustellen, ob wir völlig frei sind von jeglicher Täuschung, jeglichem Betrug.“ („Ohne Falschheit“, Der Stern, Juli 1988, Seite 73f.)
Lehre und Bündnisse 50:10-36
Der Herr unterweist die Ältesten in Bezug darauf, wie sie zwischen falschen Geistern und dem Geist der Wahrheit unterscheiden können
Lehre und Bündnisse 50:13-18. Durch den Geist der Wahrheit lehren
Einige Mitglieder der Kirche in Kirtland hatten sich durch falsche Geister in die Irre führen lassen, was zu Verwirrung geführt hatte. Sie hatten fälschlicherweise das wunderliche religiöse Verhalten einiger Leute für eine Kundgebung des Heiligen Geistes gehalten. Der Herr geht hier auf die Aufgabe des Heiligen Geistes als Tröster ein und bringt zum Ausdruck, dass der Heilige Geist „ausgesandt wurde, um die Wahrheit zu lehren“ (LuB 50:14), und nicht, um Verwirrung zu stiften. Außerdem erklärt der Herr, dass den Ältesten in der Kirche geboten worden ist, das Evangelium durch den Geist zu verkündigen. Sollten sie es auf andere Weise lehren, so seien ihre Worte nicht die Lehre Gottes (siehe LuB 50:17,18). Elder Dallin H. Oaks vom Kollegium der Zwölf Apostel hat uns Beispiele dafür genannt, wie wir nicht lehren dürfen, da es dann nicht durch den Geist geschieht:
„Wenn wir auf die Weise lehren, die der Herr festgelegt hat, kann er uns seinen Geist senden, damit dieser diejenigen, die wir unterweisen, erbaut und erleuchtet. Doch wenn wir nicht auf seine Weise lehren – wenn wir gemäß unserem eigenen Wissen und unserem eigenen Intellekt lehren oder wenn wir uns sklavisch an das halten, was wir vorbereitet haben oder was jemand anders gesagt oder geschrieben hat – dann ist das, was wir lehren, ‚nicht von Gott‘ [LuB 50:18]. …
Wenn wir uns auf Diskussionstechniken oder Verkäufertricks oder gruppenpsychologische Erkenntnisse verlassen, verkündigen wir das Evangelium auf eine andere Weise, und es ist nicht von Gott. …
Intellektuelles – Verstand und Logik – kann den Weg bereiten und uns bei der Vorbereitung helfen. Doch wenn wir uns statt auf den Geist des Herrn auf den Intellekt verlassen, lehren wir das Evangelium nicht auf die Weise des Herrn.“ („Durch den Geist lehren und lernen“, Der Stern, Mai 1999, Seite 16.)
Der Herr nennt sein Evangelium „das Wort der Wahrheit“ (LuB 50:17). Deshalb sollen alle, die es verkünden, „durch den Tröster“ und „im Geist der Wahrheit“ predigen (LuB 50:17). Der Heilige Geist gibt Zeugnis für die Wahrheit, wenn im Unterricht wahre Grundsätze und Lehren vermittelt werden. Elder L. Tom Perry (1922–2015) vom Kollegium der Zwölf Apostel hat dargelegt, wodurch sich jemand, der berufen ist, das Evangelium zu verkünden, für die unerlässliche Hilfe des Geistes bereit macht:
„Wir dürfen den Heiligen Geist, eine Person der Gottheit, als ständigen Begleiter mit uns haben, der uns bei unserer Vorbereitung als Lehrer erbaut und inspiriert. Wir sollten uns durch Gehorsam gegenüber Gottes Geboten vorbereiten, damit unser Vertrauen stark wird, wenn wir den Herrn anrufen, damit sein Geist uns groß macht, wenn wir unterrichten. Wenn der Geist uns leitet, können wir mit großer Macht unterrichten. …
Wenn wir uns demütig durch Gebet und Studium darauf vorbereiten, bewirkt unser Unterricht auch etwas. Dann unterstützt uns der Geist, wenn wir das Wort lehren, in Übereinstimmung und Harmonie mit dem, was der Herr von unserem Unterricht erwartet.“ („Lehrt sie mit allem Eifer das Wort Gottes“, Der Stern, Juli 1999, Seite 8.)
Wenn das Evangelium mit dem Geist gelehrt wird, können diejenigen, die für das Wort des Herrn empfänglich sind, erbaut und genährt werden. Elder Jeffrey R. Holland vom Kollegium der Zwölf Apostel hat beschrieben, weshalb jeder Lehrer in der Kirche sich um die Führung durch den Heiligen Geist bemühen soll:
„Christus [hat] der Kirche nie einen nachdrücklicheren Rat gegeben hat als den, das Evangelium ‚durch den Geist [zu lehren], nämlich durch den Tröster, der ausgesandt wurde, um die Wahrheit zu lehren‘ (LuB 50:14). …
Man kann nichts für die Ewigkeit lernen, ohne durch den Geist vom Himmel belebt zu sein. …
Das ist doch ohnehin das, was unsere Mitglieder wollen, wenn sie zu einer Versammlung oder zum Unterricht zusammenkommen. Die meisten Menschen kommen nicht nur zur Kirche, um ein paar neue Fakten über das Evangelium zu hören oder alte Freunde wiederzusehen, obwohl beides auch wichtig ist. Sie kommen um eines geistigen Erlebnisses willen. Sie wollen Frieden. Sie wollen ihren Glauben festigen und die Hoffnung erneuert haben. Kurz gesagt, sie wollen ‚durch das gute Wort Gottes genährt‘ und durch die Mächte des Himmels gestärkt werden. Wer unter uns aufgerufen wird, zu sprechen oder zu lehren, hat die Pflicht, so gut er kann, dafür zu sorgen.“ („Ein Lehrer, der von Gott gekommen ist“, Der Stern, Juli 1998, Seite 27.)
Lehre und Bündnisse 50:19-22. Das Evangelium durch den Geist der Wahrheit empfangen
Wem das Evangelium Jesu Christi durch den Geist der Wahrheit verkündet wird, der kann den Tröster verspüren, erbaut werden und die Wahrheit empfangen. Wenn Wahrheit durch den Geist gelehrt wird und der Empfänger dafür offen ist, sie durch den Geist zu empfangen, werden beide „erbaut und freuen sich miteinander“ (LuB 50:22).
Damit jemand die Botschaft des Evangeliums empfangen kann, wenn sie durch den Heiligen Geist gelehrt wird, muss er bereit dazu sein, den Geist der Wahrheit auf sich wirken zu lassen. A. Roger Merrill, ehemals Präsident der Sonntagsschule, hat erklärt, wie man das Evangelium am besten durch den Geist empfangen oder aufnehmen kann:
„Oft – und zu Recht – konzentrieren wir uns darauf, wie wichtig es ist, durch den Geist zu lehren. Wir müssen aber auch daran denken, dass der Herr genauso viel – wenn nicht mehr – Wert darauf legt, dass wir durch den Geist empfangen (siehe LuB 50:17-22). …
In den Versammlungen der Kirche, beim Schriftstudium allein und mit der Familie [und wenn] wir den Propheten und Aposteln des Herrn zuhören, werden einige von uns mehr empfangen als andere. Warum? Ich habe herausgefunden, dass diejenigen, die wahrhaftig empfangen, mindestens dreierlei tun, was die anderen vielleicht nicht tun.
Erstens suchen sie. Wir leben in einer Welt, in der wir unterhalten und zum Zuschauer abgestempelt werden. Ohne dass wir es merken, kann es passieren, dass wir die Generalkonferenz oder die Kirche mit der Einstellung besuchen: ,Hier bin ich – nun erbaut mich mal!‘ Wir werden geistig passiv.
Wenn wir uns stattdessen darauf konzentrieren, nach dem Geist zu trachten und ihn zu empfangen, dann geht es uns weniger darum, ob der Lehrer oder Sprecher nun unsere Aufmerksamkeit weckt, sondern mehr darum, dass wir dem Geist unsere Aufmerksamkeit schenken. Denken Sie daran: Empfangen ist ein Tuwort. Es ist ein Grundsatz, der erfordert, dass man etwas tut. Es ist ein wesentlicher Ausdruck von Glauben.
Zweitens: Diejenigen, die empfangen, fühlen. Offenbarung ergeht an Verstand und Herz, aber zumeist fühlen wir sie. In der Regel erkennen wir den Geist nicht einmal, solange wir nicht gelernt haben, auf diese geistigen Empfindungen zu achten. …
Drittens: Diejenigen, die durch den Geist empfangen, haben die Absicht, zu handeln. Der Prophet Moroni lehrt uns, um ein Zeugnis vom Buch Mormon zu erlangen, müssen wir ,mit wirklichem Vorsatz‘ (Moroni 10:4) fragen. Der Geist vermittelt uns etwas, wenn wir ehrlich den Wunsch haben, das, was wir lernen, in die Tat umzusetzen.“ („Durch den Geist empfangen“, Liahona, November 2006, Seite 93f.)
Elder Bruce R. McConkie (1915–1985) vom Kollegium der Zwölf Apostel hat mit dem folgenden Gleichnis Lehrern und Schülern ihre jeweilige Aufgabe beim Lehren und Lernen des Evangeliums deutlich gemacht: „Echte, wahre, unverfälschte Gottesverehrung, die durch den Geist entsteht, kommt beispielsweise in einer Abendmahlsversammlung dann zustande, wenn der Sprecher mit der Macht des Heiligen Geistes spricht und die Gemeinde mit der Macht des Heiligen Geistes zuhört.“ Elder McConkie hat weiter ausgeführt, dass in unseren Abendmahlsversammlungen die Gemeinde oft geistig darauf vorbereitet ist, das Evangelium zu lernen. Die Mitglieder kommen „mit dem Wunsch, genährt zu werden. Sie bringen einen ganzen Eimer mit. Der Sprecher erscheint in all seiner weltlichen Weisheit mit einem kleinen Trinkfläschchen und schüttet dieses Fläschchen in den Eimer, wo der Inhalt dann herumplätschert. Oder was auch manchmal geschieht: Der Sprecher hat seinen Auftrag von Gott erhalten, ist mit dem Geist im Einklang und kommt mit einem gefüllten Eimer, um eine Botschaft zu überbringen, und niemand in der Gemeinde hat mehr als bloß einen Becher mitgebracht. Und er gießt den Eimer voll ewiger Wahrheit aus, und alle bekommen nur eine Kostprobe ab, die für einen Augenblick den ewigen Durst stillt, statt dass sie die wahre Botschaft empfangen, um die es geht. Dazu müssen Lehrer und Schüler beziehungsweise Sprecher und Gemeinde jeweils vereint im Glauben sein, um die richtige Grundlage für das Verkünden und Unterweisen zu bilden.“ („The Foolishness of Teaching“, Ansprache vor Religionslehrern des Bildungswesens der Kirche am 18. September 1981, Seite 9f.)
Lehre und Bündnisse 50:23,24. Was nicht erbaut, ist Finsternis; was von Gott ist, ist Licht
Die Finsternis stellt den üblen Einfluss des Widersachers dar und steht für alles, was nicht erbaut (siehe LuB 50:23,24). Im Buch Mormon lesen wir: Alle, die „sich dem Teufel fügen und lieber Werke der Finsternis wählen als das Licht“, werden „in die Hölle hinabgehen“ (2 Nephi 26:10). Wer die Gebote Gottes bricht, dessen Sünde verdeckt das Licht, das vom Geist des Herrn kommt, und er wird „am Mittag in Finsternis wandeln“ (LuB 95:6). Präsident Joseph Fielding Smith (1876–1972) hat gesagt: „Es gibt keine größere Wahrheit als diese: ‚Was nicht erbaut, das ist nicht von Gott.‘ Und was nicht von Gott ist, ist Finsternis. Dann spielt es keine Rolle, ob es als Religion, Ethik, Philosophie oder Offenbarung getarnt ist. Es gibt keine Offenbarung von Gott, die nicht erbaut.“ (Church History and Modern Revelation, 1953, 1:201f.)
Während seines irdischen Wirkens sagte der Erretter: „Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ (Johannes 8:12; siehe auch LuB 45:7.) Wer dem Herrn nachfolgt, „empfängt mehr Licht“, mit dem er die Wahrheit erkennt und die Finsternis vertreibt (siehe LuB 50:24,25). Elder Robert D. Hales vom Kollegium der Zwölf Apostel hat erklärt:
„Licht vertreibt die Finsternis. Wo es Licht gibt, wird die Finsternis bezwungen und muss weichen. Wichtiger noch ist, dass die Finsternis das Licht nicht bezwingen kann, erst, wenn das Licht abnimmt oder verschwindet. Wenn das geistige Licht des Heiligen Geistes anwesend ist, verschwindet die Finsternis des Satans. …
Wenn wir zulassen, dass das Licht des Geistes flackert oder schwindet, weil wir die Gebote nicht halten, am Abendmahl nicht teilnehmen, nicht beten oder nicht in den Schriften studieren, wird die Finsternis des Widersachers garantiert zu uns hereinkommen.“ („Aus der Finsternis in sein wunderbares Licht“, Liahona, Juli 2002, Seite 78.)
Lehre und Bündnisse 50:23,24. Wer Licht empfängt und in Gott verbleibt, empfängt mehr Licht
Das Evangelium Jesu Christi bereitet die Kinder Gottes darauf vor, durch fortschreitendes geistiges Wachstum letztlich vollkommen zu werden. Wer sich bemüht, dem Herrn nachzufolgen und eine Fülle seines Lichts zu empfangen, wird eines Tages vollkommen wie er werden (siehe Moroni 10:32; LuB 67:13). Der Prophet Joseph Smith (1805–1844) hat darüber gesprochen, weshalb wir spirituelles Licht empfangen müssen, wenn wir so werden wollen wie Gott: „Wir meinen, dass Gott den Menschen mit einem Verstand geschaffen hat, der imstande ist zu lernen, und mit einer Fähigkeit, die sich in dem Maß erweitert, wie man dem Licht, das vom Himmel her dem Denkvermögen mitgeteilt wird, Eifer und Beachtung schenkt. Je näher der Mensch der Vollkommenheit kommt, desto klarer wird sein Blick und desto größer seine Freude, bis er das Böse in seinem Leben überwunden und jeglichen Wunsch nach Sünde verloren hat und wie die Menschen in alter Zeit an einem Punkt des Glaubens anlangt, wo er von der Macht und Herrlichkeit seines Schöpfers eingehüllt und emporgehoben wird, um bei ihm zu wohnen. Wir meinen aber auch, dass dies ein Zustand ist, den noch nie jemand von einem Augenblick zum nächsten erreicht hat.“ (Lehren der Präsidenten der Kirche: Joseph Smith, Seite 231.)
Geistiges Licht empfängt man dadurch, dass man sich geistiges Wissen aneignet und an Rechtschaffenheit zunimmt. Präsident Dieter F. Uchtdorf von der Ersten Präsidentschaft hat erklärt, inwiefern unser Zeugnis von der Lehre gestärkt und erhellt wird, wenn wir uns bemühen, Licht zu erlangen:
„Je mehr wir uns mit Herz und Sinn Gott zuwenden, desto mehr himmlisches Licht fällt auf unsere Seele. Jedes Mal, wenn wir bereitwillig und aufrichtig nach diesem Licht streben, zeigen wir Gott unsere Bereitschaft an, mehr Licht zu empfangen. Nach und nach erscheint uns dann das, was zuvor verschwommen, dunkel und fern war, klar, hell und vertraut.
Gleichermaßen verblasst unser eigenes Licht, wenn wir uns vom Licht des Evangeliums entfernen; nicht innerhalb eines Tages oder einer Woche, sondern nach und nach, im Laufe der Zeit – bis wir zurückblicken und kaum noch begreifen, warum wir das Evangelium jemals für wahr gehalten haben. Unsere frühere Erkenntnis mag uns sogar töricht vorkommen, weil uns das, was einst so klar war, wieder unklar, verschwommen und fern erscheint. …
Ich habe ein Zeugnis davon, dass jedes Kind Gottes dieses geistige Licht erreichen kann. Es wird Ihren Verstand erleuchten, Ihr wundes Herz heilen und Ihre Tage mit Freude erfüllen. Meine lieben Freunde, bitte zögern Sie nicht länger, sich um ein eigenes Zeugnis von Gottes Werk, ja, vom Werk des Lichts und der Wahrheit, zu bemühen und es zu festigen.
Ihr eigenes Zeugnis von Licht und Wahrheit wird nicht nur für Sie und Ihre Nachkommen hier auf Erden ein Segen sein, sondern Sie auch in alle Ewigkeit begleiten, inmitten von Welten ohne Ende.“ („Ein Zeugnis von Licht und Wahrheit erlangen“, Liahona, November 2014, Seite 22f.)
Lehre und Bündnisse 50:26-30. Es wird euch gegeben werden, was ihr erbitten werdet
Die ordinierten Diener des Herrn haben Zugang zur Macht des Himmels, um all das zustande zu bringen, was Gott von ihnen erwartet. Diese göttliche Hilfe kann nur denen zuteilwerden, die „rein gemacht und von aller Sünde gesäubert“ sind (LuB 50:28). Elder Richard G. Scott (1928–2015) vom Kollegium der Zwölf Apostel hat dargelegt, warum unsere Bemühungen, von Sünde rein zu werden, uns darauf vorbereiten, Antwort auf unsere Gebete zu erhalten:
„Niemand würde erwarten, dass ein physikalisches Gesetz funktioniert, wenn man sich nicht genau daran hält. Mit den geistigen Gesetzen verhält es sich ebenso. So sehr wir uns die Hilfe wünschen, wir müssen uns an das geistige Gesetz halten, von dem die Hilfe abhängt. An den geistigen Gesetzen ist nichts Geheimnisvolles. Wir können sie durchaus verstehen. …
Der Herr hat die Macht, uns jederzeit zu segnen. Aber wir stellen fest, dass wir, um auf seine Hilfe zählen zu können, seine Gebote konsequent befolgen müssen. …
‚Wenn ihr rein gemacht und von aller Sünde gesäubert seid, mögt ihr im Namen Jesu erbitten, was auch immer ihr wollt, und es wird geschehen. Aber wisset dies, es wird euch gegeben werden, was ihr erbitten werdet.‘ (LuB 50:29,30; Hervorhebung hinzugefügt.) …
Unser aufrichtiges Beten wird erhört, wenn es dem Willen des Herrn entspricht. Da wir seinen Willen nicht vollkommen erkennen können, müssen wir im Glauben leben. Er ist allwissend, und seine Entscheidungen sind vollkommen. [Obwohl] es unser begrenztes Begriffsvermögen nicht zulässt, dass wir immer die Art und Weise, wie er mit den Menschen umgeht, verstehen, so schränkt das doch seine Segnungen nicht ein. Wir können uns für nichts Besseres entscheiden als für seinen Willen, ob wir ihn ganz verstehen oder nicht. Wenn wir unsere Entscheidungsfreiheit vernünftig gebrauchen, handelt der Herr seinem Willen gemäß.
Wir sehen nur einen sehr begrenzten Teil des ewigen Plans, den er für jeden Einzelnen von uns aufgestellt hat. Vertrauen Sie ihm, auch wenn es zeitweise sehr weh tut. Haben Sie Geduld, wenn von Ihnen verlangt wird, zu warten, obwohl Sie sich sofortiges Handeln wünschen. Er verlangt vielleicht etwas von Ihnen, was Ihrem Willen völlig zuwiderläuft. Üben Sie Glauben, und sagen Sie: Dein Wille geschehe. Wenn wir solche Erfahrungen redlich durchstehen, bereiten sie uns auf noch größere Segnungen vor. Als Ihr Vater möchte er, dass Sie in Ewigkeit glücklich werden, dass Sie sich beständig weiterentwickeln, dass Sie Ihre Fähigkeiten erweitern. Er möchte mit Ihnen alles teilen, was er hat.“ (Siehe „Lassen wir uns doch vom Herrn helfen“, Der Stern, Januar 1992, Seite 79–81.)
Präsident Marion G. Romney (1897–1988) von der Ersten Präsidentschaft hat sich dazu geäußert, dass sich unsere Gebete so weit entwickeln können, bis sie den Willen Gottes ausdrücken: „Die Zeit wird kommen, da wir den Willen Gottes kennen, bevor wir fragen. Dann wird alles, worum wir beten, ‚ratsam‘ sein [LuB 88:64]. Alles, worum wir bitten, wird ‚recht‘ sein [3 Nephi 18:20]. Das wird dann geschehen, wenn wir aufgrund eines rechtschaffenen Lebens den Heiligen Geist in solch einem Maße bei uns haben, dass er uns eingibt, worum wir bitten sollen.“ (Herbst-Generalkonferenz 1944.)
Lehre und Bündnisse 50:31-35. Die Macht, alles zu überwinden, was nicht von ihm verordnet ist
Wie in Lehre und Bündnisse 50:31-35 zu lesen ist, gibt der Herr seinen Dienern die Gabe des Erkennens, damit sie zwischen falschen Geistern und wahren geistigen Gaben und Kundgebungen von Gott unterscheiden können. Ein Priestertumsführer soll mit dieser Gabe einen falschen oder dunklen Geist offen benennen, wenn er ihn bemerkt. Er darf mit dieser Gabe jedoch nicht prahlen, sonst kann er selbst getäuscht werden.
Lehre und Bündnisse 50:37-46
Der Herr fordert seine Diener auf, die Kirche zu stärken, und verheißt, dass er bei ihnen sein wird
Lehre und Bündnisse 50:40-46. Ihr könnt noch nicht alles ertragen, ihr müsst wachsen
Der Herr bezeichnet hier die Ältesten der Kirche als „kleine Kinder“ in ihrer Evangeliumserkenntnis, aber er verheißt ihnen, dass sie „in der Gnade und in der Erkenntnis der Wahrheit wachsen“ sollen (LuB 50:40), wenn sie ihn empfangen, und eines Tages werden sie mit dem Vater und dem Sohn eins sein (siehe LuB 50:43). Elder Neal A. Maxwell (1926–2004) vom Kollegium der Zwölf Apostel hat die Heiligen daran erinnert, dass sie sich nicht durch langsames geistiges Wachstum entmutigen lassen dürfen:
„Es ist für den Herrn nicht nur annehmbar, wenn man nach und nach Fortschritt macht, er empfiehlt es sogar. Er sagte dazu: ‚Ihr seid kleine Kinder, und ihr könnt jetzt noch nicht alles ertragen‘ (LuB 50:40) und ‚Ich werde euch weiter führen‘ (LuB 78:18). So, wie auch göttliche Kundgebungen zumeist Zeile um Zeile, Weisung um Weisung, hier ein wenig und dort ein wenig erfolgen, so machen auch wir nach und nach Fortschritt auf geistigem Gebiet (siehe LuB 128:21; 98:12).
Statt uns selbst als Versager zu sehen, bloß weil wir nicht sofort vollkommen werden, zum Beispiel die Eigenschaft der Barmherzigkeit betreffend, sollten wir danach streben, im Laufe der Zeit immer barmherziger zu werden. Bei allem Eifer sollte man keine unrealistischen Erwartungen hegen. Auch wenn man noch unvollkommen ist, kann jemand, der dabei ist, sich zu verbessern, in dem Bewusstsein leben, dass die Richtung seines Lebenswegs im Allgemeinen für den Herrn annehmbar ist, auch wenn der Weg zum Ziel noch weit ist.“ (Men and Women of Christ, 1991, Seite 23.)