5
BEHINDERTE UNTERRICHTEN
Elder Boyd K. Packer hat von folgendem Erlebnis in seinem ersten Unterrichtsjahr als Seminarlehrer berichtet:
„Ich hatte da ein Mädchen in meiner Klasse, das mich durch seine scheinbar freche Art störte. Sie beteiligte sich nicht am Unterricht und störte andauernd. Einmal bat ich sie, unvorbereitet etwas zu sagen, aber sie entgegnete ganz frech: ‚Tu ich nicht!“
Ich bestand darauf, aber sie wurde immer frecher und lehnte ab. Ich sagte etwas recht Dummes wie etwa ‚Schüler, die keine Antwort geben wollen, bekommen auch keine gute Note.‘ Und innerlich fügte ich hinzu: ‚Wir werden ja sehen. Entweder, du machst mit, oder es passiert etwas.‘
Ein paar Wochen später kam ihre Mutter in meine Sprechstunde und erzählte mir, was für ein schüchternes, zurückgezogenes Mädchen ihre Tochter sei und wie ungern sie im Unterricht mitarbeite. Schüchtern und zurückgezogen – das hätte mich ja nicht weiter gestört, aber ihre freche Aufmüpfigkeit machte mir Sorgen.
Glücklicherweise sagte ihre Mutter, bevor ich noch beschreiben konnte, wie frech sie im Unterricht sei: ‚Das ist wegen ihres Sprachfehlers.‘
Ich fragte ganz überrascht, welcher Sprachfehler? ‚Ach, ist Ihnen das noch nicht aufgefallen?‘ fragte die Mutter. Es war mir nicht aufgefallen! ‚Sie versucht auf jede Weise, vor anderen nichts sagen zu müssen‘, erklärte mir die Mutter. ‚Sie schämt sich so wegen ihres Sprachfehlers.‘
Nach diesem Gespräch fühlte ich mich ganz klein! Ich hätte doch bemerken müssen, dass es einen Grund für ihr Verhalten gab. Ich habe mich das ganze Jahr über bemüht, völlig umzukehren. Ich sprach mit dem Mädchen und lockte es aus der Reserve. ‚Gemeinsam werden wird das schon schaffen‘, sagte ich ihr.
Am Ende des Schuljahres redete sie und beteiligte sich häufig am Unterricht, und die anderen Schüler unterstützten sie sehr.“ (Teach Ye Diligently, Neuauflage, [1991], Seite 92f.)
Der Erretter hat während seines Erdenlebens großes Mitgefühl für diejenigen an den Tag gelegt, die körperlich oder geistig behindert waren. Er gab ihnen Hoffnung, Verständnis und Liebe. Sie als Lehrkraft müssen seinem Beispiel folgen. Bemühen Sie sich, durch eine Behinderung nicht selbst peinlich berührt zu werden. Bedenken Sie, dass jeder auf seine Weise anders ist.
Mit Liebe und Einfühlungsvermögen können Sie einem behinderten Teilnehmer helfen, sich am Unterricht zu beteiligen. Vielleicht müssen Sie auch die anderen Schüler informieren, damit sie den Behinderten verstehen und annehmen.
Folgend werden verschiedene Behinderungen beschrieben und dazu Möglichkeiten genannt, wie solchen behinderten Teilnehmern geholfen werden kann.
Beeinträchtigung des Hörvermögens
Eine Beeinträchtigung des Hörvermögens kann vom leichten Hörschaden bis hin zu völliger Taubheit reichen. Der eine kann noch mit einem Hörgerät der Unterhaltung folgen, der andere braucht die Gebärdensprache oder muss die Worte von den Lippen ablesen.
Wenn Sie bemerken, dass ein Teilnehmer nicht gut hört, seien Sie besonders aufmerksam und rücksichtsvoll. Vielleicht müssen Sie mit dem Betreffenden darüber sprechen, wo der beste Sitzplatz für ihn ist, so dass er dem Unterrichtsgespräch folgen und sich an Aktivitäten beteiligen kann. Vielleicht muss er so sitzen, dass er Sie beim Sprechen vor Augen hat. Vielleicht sitzt er lieber auf einer bestimmten Seite des Raumes. Besprechen Sie das alles freundlich und hilfsbereit und so, dass ihr Wunsch, dass sich der Betreffende am Unterricht beteiligen kann, zum Ausdruck kommt.
Sprach- und Sprechfehler
Sprach- und Sprechfehler beeinträchtigen die Kommunikationsfähigkeit. Es gibt leichte und schwere Sprach- und Sprechfehler, die Menschen jeden Alters betreffen können. Jemand mit so einer Behinderung kann vielleicht das gesprochene oder geschriebene Wort schwer verstehen. Vielleicht fällt es ihm aber auch schwer, Wörter zu formulieren oder Gedanken auszudrücken. Manche Menschen mit einer derartigen Behinderung versuchen, das nicht merken zu lassen. Kinder dagegen merken es selbst oft nicht.
Wenn Sie der Meinung sind, jemand aus Ihrer Klasse habe so eine Behinderung, dann rufen Sie ihn nicht so ohne weiteres zum Sprechen auf. Seien Sie besonders aufmerksam, und finden Sie mehr über seine Lernfähigkeiten heraus. Sie können Lernaktivitäten vorbereiten, bei denen der Betreffende etwas sagen kann, ohne dass es ihm peinlich ist, etwa in einer Diskussionsgruppe mit besonders geduldigen und netten Teilnehmern. In dem Maß, wie Sie den Betreffenden besser kennenlernen und sein Selbstvertrauen wächst, können Sie auch weitere Mittel und Wege finden, wie er zum Unterricht beitragen kann. Helfen Sie ihm, selbst festzulegen, was er tun möchte, um sich mehr zu beteiligen.
Geistige Behinderungen
Ein geistig Behinderter entwickelt sich vielleicht auf manchen Gebieten langsamer. Er lernt langsamer, sich auszudrücken, mit anderen umzugehen, zu lernen, zu arbeiten oder für sich selbst zu sorgen. Manche geistig Behinderte sind in fast jedem Lebensbereich auf die Hilfe anderer angewiesen, andere brauchen nur bei bestimmten Aufgaben Hilfe.
Seien Sie freundlich und rücksichtsvoll zu einem geistig behinderten Teilnehmer. Sprechen Sie ganz normal mit ihm über normale Belange. Laden Sie ihn ein, im Unterricht so viel beizutragen, wie er sich zutraut. Sie können ihm auch im Voraus bei der Vorbereitung helfen. Sie können gelegentlich auch die Klasse in kleine Gruppen oder Paare teilen, wobei der Behinderte einem geduldigen und hilfsbereiten Teilnehmer zugeteilt wird.
Leseschwäche
Manche Menschen können nicht gut lesen. Sie sind vielleicht Legastheniker oder haben eine andere Leseschwäche. Vielleicht fällt es ihnen auch bloß schwer, eine Sprache zu lesen, die nicht ihre Muttersprache ist. Vielleicht sehen sie auch nicht gut, oder sie lesen überhaupt selten und haben wenig Übung damit.
Wenn Sie bemerken, dass einem Teilnehmer das Lesen schwerfällt, bitten Sie ihn nicht so ohne weiteres, im Unterricht etwas vorzulesen. Bringen Sie ihn nicht in Verlegenheit, indem Sie ihn zum Lesen auffordern, wenn er sich nicht gemeldet hat. Lernen Sie den Betreffenden besser kennen. Finden Sie heraus, wie gut er lesen kann und wie weit er bereit ist, etwas vorzulesen. Wenn jemand gern etwas vorlesen möchte, aber Zeit zum Vorbereiten braucht, können Sie ihm helfen, sich auf einen bestimmten Abschnitt vorzubereiten, der in einer der nächsten Lektionen vorgelesen werden soll. Vielleicht müssen Sie aber auch andere Mittel und Wege finden, um den Betreffenden in den Unterricht mit einzubeziehen. Sprechen Sie mit ihm darüber. Arbeiten Sie gemeinsam die für ihn beste Möglichkeit heraus, wie er sich am Unterricht beteiligen kann.
Beeinträchtigung des Sehvermögens
Eine Beeinträchtigung des Sehvermögens kann von einer leichten Trübung des Sehvermögens bis zu völliger Blindheit reichen. Manche Sehbehinderte können noch recht gut sehen, wenn sie ganz vorne sitzen oder eine Brille tragen, andere können nur zuhören oder lesen Braille (die Blindenschrift). Helfen Sie Leuten mit Sehbehinderung, dort zu sitzen, wo sie am besten lernen und sich am Unterricht beteiligen können. Sprechen Sie mit ihnen freundlich darüber, was sie brauchen und wie Sie helfen können.
Zusätzliche Information
Das oben Gesagte ist nur eine kurze Zusammenfassung. Wenn Sie feststellen, dass ein Teilnehmer eine Behinderung hat, sprechen Sie mit dem Betreffenden und seiner Familie und seinen Freunden, und finden Sie heraus, wie Sie helfen können. Seien Sie ihm ein Freund. Sie können sich auch mit den Führungskräften beraten. Trachten Sie nach der Führung des Geistes, damit Sie herausfinden, wie Sie dem Betreffenden helfen können, sich erfolgreich am Unterricht zu beteiligen und Freude daran zu haben.
Mehr darüber, wie man einem behinderten Teilnehmer helfen kann, finden Sie im Abschnitt „Lehren und Führen im Evangelium“ im Handbuch Anweisungen der Kirche auf Seite 310ff.
Hilfsmittel für behinderte Mitglieder
Material für behinderte Mitglieder finden Sie im Versandkatalog.
Fragen zum Material für behinderte Mitglieder richten Sie bitte an:
Members with Disabilities
Floor 24
50 East North Temple Street
Salt Lake City, UT 84150-3200 USA
Telefon: 001-801-240-2477