2021
Als Missionar zwischen Dackel und Rottweiler
Dezember 2021


Stimmen aus vergangenen Zeiten

Als Missionar zwischen Dackel und Rottweiler

Wien (RHS): Ich bin von meinem Wesen her ein Tierfreund und mag besonders gerne Hunde. Interessanterweise war auch meine Mission von einigen Erlebnissen mit Hunden geprägt. An zwei dieser Erlebnisse kann ich mich noch lebhaft erinnern.

Es war gegen Abend, als mein Mitarbeiter und ich noch von Tür zu Tür gingen. In einem ordentlich aussehenden Mehrfamilienhaus öffnete uns ein freundlicher, seriös aussehender Mann die Tür: „Ihr seid von den Mormonen”, stellte er fest und fügte hinzu: „Wissen Sie was – kommen Sie herein! Mich interessiert, was Ihre Kirche so macht, welche Ziele sie hat. Ich habe eine Stunde Zeit.“ Der Mann war ein führender Gewerkschafter in unserem Landkreis. Es war mir klar, in diesem Fall sollte unser Ziel sein, ein Bild der Kirche zu vermitteln, das gute Gefühle hervorruft. Das war im Jahr 1969. Damals hatte unsere Kirche noch sehr mit Vorurteilen zu kämpfen. Wir sprachen in einer sehr positiven, vom Geist geprägten Atmosphäre über das Wesen und die christlichen Prinzipien unserer Kirche. Gegen Ende der Stunde meinte der Mann, er müsse schließen, weil er nun eine wichtige Besprechung habe. Aber er wolle noch überprüfen, ob wir ehrliche Menschen seien oder bloß geheuchelt hätten und ob wir die besprochenen Prinzipien auch selbst versuchten zu befolgen. Ich überlegte: Holt er nun einen Lügendetektor oder was hat er sonst vor?

Der Mann öffnete eine Tür und erklärte: „Hier ist mein Hund. Er hat alles gehört und er weiß alles über Sie – er spürt das!“ Hereinspaziert kam ein „süßer“ Langhaardackel. Er setzte sich direkt vor meine Beine, sprang mir mit einem leisen Winseln auf den Schoß und gab mir einen „dicken, fetten“ Dackelkuss mitten ins Gesicht, den ich mit „Würde“ ertrug. Mit einem erstaunten Kopfschütteln stammelte unser netter Gastgeber nur: „Nein, so etwas habe ich noch nie erlebt“! Unser Vater im Himmel hatte dafür gesorgt, dass unser Gespräch in diesem Menschen einen bleibenden Eindruck von unserer Kirche hinterließ.

Auch in einem zweiten Erlebnis meiner Mission beeinflusste der Herr einen Hund zu unerwarteter Milde. Mein Mitarbeiter hatte am Vortag einen Termin vereinbart. Als wir zur betreffenden Adresse kamen, war ich ein wenig über die örtliche Situation überrascht. Vor uns lag ein etwa 40 Meter langes und nur 15 Meter breites Grundstück, das Haus stand an dessen hinterem Ende. Die Gartentür war nicht verschlossen, doch es gab ein Hindernis. Etwa in der Mitte des Gartens stand seitlich eine Hundehütte mit einem stattlichen Rottweiler davor. Er bellte uns an und lief immer wieder einige Meter in unsere Richtung und wieder zurück. Ich hatte mich vor meiner Mission ein wenig mit Verhaltensforschung auseinandergesetzt, und mir war klar, der Aggressionsbereich des Hundes reichte nicht über die gesamte Gartenbreite und wir sollten eigentlich ohne Probleme zum Haus gelangen. Das stimmte so weit, und ich war einen Moment lang stolz auf meine Vorkenntnisse. Das hätte ich nicht sein sollen. Denn es öffnete niemand die Tür, und ich hatte nicht bedacht, dass sich dadurch der Aggressionsbereich des Hundes vergrößern werde. So konnten wir nicht zurück zum Ausgang. Mir fiel ein, es bestand noch die Möglichkeit eine direkte Attacke zu vermeiden und an dem Hund vorbeizukommen, und zwar unter folgenden Bedingungen: Man darf keinerlei Aggressionen in seiner Seele haben, darf keinerlei Angstgefühle ausstrahlen und bei einer Konfrontation keine Abwehrreaktion durchführen. Das war in dieser Situation schwierig! So bat ich demütig den Herrn um Verzeihung für meine Unvorsichtigkeit und flehte um seine Hilfe! Nach dem Gebet durchdrang mich das Gefühl, der Herr werde uns beschützen! Dies nahm mir tatsächlich meine Angst.

Mein Mitarbeiter und ich gingen vorsichtig entlang des Zaunes Richtung Ausgang, ich auf der Seite des Hundes. An der engsten Stelle wurde mir klar, dass der Rottweiler mich nun attackieren würde. Er sprang mich aus 2 Metern Entfernung in Schulterhöhe mit offenem Maul an. Ich glaube, der Herr „lähmte meine Muskeln“, so dass ich keine instinktive Abwehrbewegung machte. Er war nur mehr etwa einen halben Meter entfernt, als sein Maul zuklappte. Er drehte blitzschnell den Kopf zur Seite, um mich nicht zu rammen, sondern gab mir nur einen „fast freundschaftlichen“ Schubs mit der Schnauze auf die Schulter. Mein Gefühl der tiefen Dankbarkeit war vermischt mit der Einsicht, man sollte sich nicht allein auf Empfehlungen von Fachleuten verlassen, sondern auch den Herrn in seine Entscheidungen einbeziehen!

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