„Kritiker des Buches Mormon“, Themen im Zusammenhang mit der Geschichte der Kirche
„Kritiker des Buches Mormon“
Kritiker des Buches Mormon
Schon bevor das Buch Mormon 1830 gedruckt wurde, war in Zeitungsartikeln an dem Buch und seinem Übersetzer Joseph Smith Kritik geübt worden. Joseph reagierte auf solcherlei Kritik mit der Bekräftigung, dass ein Engel ihn zu einem alten Bericht geführt habe, den er durch die Gabe und Macht Gottes übersetzt habe. Damals glaubten viele Amerikaner, dass die Bibel das einzige Wort Gottes darstelle, und das Auftauchen neuer heiliger Schrift entfachte heftige Auseinandersetzungen. Einige Autoren, die von Josephs Bericht über den göttlichen Ursprung des Buches nicht überzeugt waren, bekämpften das Buch Mormon offen.
Drei der ersten Kritiker gaben für die erste, anhaltende Kritik am Buch Mormon die Richtung vor. Abner Cole, Alexander Campbell und Eber D. Howe behaupteten jeweils, Joseph Smith würde das Buch Mormon im Rahmen eines ausgeklügelten Plans verwenden, die Öffentlichkeit zu täuschen. Cole (er schrieb unter dem Pseudonym Obadiah Dogberry) veröffentlichte Auszüge aus dem Buch Mormon in seiner Zeitung, bevor die Druckerei den Druck des Buches fertiggestellt hatte. Zwar gab Cole Josephs Forderung nach, keine weiteren Auszüge wiederzugeben, doch verfasste er weiterhin Artikel, in denen er das Buch Mormon verspottete und das verurteilte, was er als religiösen Fanatismus empfand. Zwei Jahre später ging Alexander Campbell, ein Geistlicher, der die These des Restorationismusʼ vertrat, noch weiter und veröffentlichte „eine Analyse des Buches Mormon“, worin das Buch auf Widersprüche zur Bibel hin untersucht wurde. Campbell argumentierte, Joseph Smith hätte die einzigartigen Elemente des Buches Mormon seinem kulturellen Umfeld entnommen und einfach religiöse Ansichten seiner Zeit wiedergegeben.1 Eber Howe, ein Journalist aus Ohio, war der Ansicht, das Buch übersteige Josephs intellektuelle Fähigkeiten. Er behauptete, Joseph Smith hätte Geschichten von einem unveröffentlichten Manuskript abgeschrieben, das ein gewisser Solomon Spaulding verfasst hatte.2 Um diese Theorie zu untermauern, veröffentlichte er Geschichten von unzufriedenen Heiligen der Letzten Tage und Zeugenaussagen von Einwohnern Palmyras, die bereit waren, unter Eid gegen Joseph Smith auszusagen.3
Die Plagiatstheorie erlangte einen so hohen Bekanntheitsgrad, dass Missionare wie Parley P. Pratt unermüdlich damit beschäftigt waren, sie mündlich und schriftlich zu widerlegen. Als das echte Spaulding-Manuskript in den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts entdeckt wurde, fanden die Leser darin kaum Ähnlichkeiten mit dem Buch Mormon.4 Dennoch behaupteten Kritiker weiterhin beharrlich, dass Joseph Smith die Hauptgedanken des Buches abgeschrieben haben müsse. 1902 stellte I. Woodbridge Riley die Behauptung auf, dass sich Joseph Smith und Oliver Cowdery bei Ethan Smiths Buch View of the Hebrews bedient hätten. Darin wird die Abstammung der Indianer bis hin zu den verlorenen Stämmen Israels zurückverfolgt.5 Doch auch nach jahrzehntelanger Auseinandersetzung haben die Kritiker bis heute keine nennenswerte inhaltliche Übereinstimmung zwischen dem Buch View of the Hebrews und dem Buch Mormon nachweisen können. Zwar lebte Cowdery eine Zeit lang in der Nähe von Ethan Smith, und dessen Buch erschien sieben Jahre vor dem Buch Mormon, doch gibt es keinen Beleg dafür, dass Oliver Cowdery oder Joseph Smith Kenntnis von dem Werk hatten.6
In den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts bewog Rileys Theorie den Autor B. H. Roberts, eine Generalautorität der Kirche Jesu Christi, dazu, sich eingehend mit der Kritik am Buch Mormon zu befassen. Roberts legte den Heiligen der Letzten Tage ans Herz, die Fragen von Kritikern sorgfältig und ernsthaft zu beantworten.7 Seine Arbeit war der Ausgangspunkt dafür, dass sich Gläubige stärker bemühten, das Buch zu verteidigen und stichhaltige Antworten auf Kritik zu finden. Dies führte zu neuen Forschungen zum Schauplatz des Buches Mormon im alten Amerika und zu der vielschichtigen literarischen Struktur des Buches. Die Auseinandersetzungen zwischen Kritikern und Verteidigern des Buches Mormon dauern heute noch immer an.8
Ende des 20. Jahrhunderts fingen Wissenschaftler an, die literarische Qualität und den Einfluss des Buches als religiöses Werk ernst zu nehmen. Seit 2003 geben Universitäts- und Publikumsverlage eigene Ausgaben des Buches Mormon heraus.9 Einige Literaturkritiker erkennen abseits der religiösen Inhalte die vielschichtige Erzählweise und den bemerkenswerten rhetorischen Stil des Buches an. Diese Studien lassen vielleicht erkennen, dass die wissenschaftliche Analyse des Buches Mormon in Zukunft weniger von Feindseligkeit geprägt sein wird.10
Verwandte Themen: Opposition to the Early Church (Widerstand gegen die Kirche in der Anfangszeit), Printing and Publishing the Book of Mormon (Druck und Veröffentlichung des Buches Mormon), Gold Plates (Goldplatten)