Geschichte der Kirche
Joseph Smiths Präsidentschaftskandidatur 1844


„Joseph Smiths Präsidentschaftskandidatur 1844“, Themen im Zusammenhang mit der Geschichte der Kirche

„Joseph Smiths Präsidentschaftskandidatur 1844“

Joseph Smiths Präsidentschaftskandidatur 1844

Joseph Smith erklärte im Februar 1844 seine Kandidatur für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten. Joseph selbst und die Heiligen im Allgemeinen hatten in Missouri und in Illinois mehrere Jahre der Schikane und Verfolgung erlebt. Joseph hatte fünf Männern geschrieben, von denen man erwartete, dass sie 1844 für das Amt des Präsidenten kandidieren würden. Jeden der Männer hatte er gefragt, was er tun würde, um die Bürgerrechte der Heiligen der Letzten Tage zu schützen, wenn er gewählt werden würde. Drei der Männer antworteten, aber keiner von ihnen versprach, den Heiligen zu helfen. Infolgedessen stellte das Kollegium der Zwölf Apostel Joseph Smith als Kandidaten auf. Er nahm die Nominierung an und machte sich daran, eine Wahlkampagne auszuarbeiten. Zur Erläuterung, warum er die Nominierung angenommen hatte, erklärte Joseph Smith öffentlich: „Ich hätte nicht zugelassen, dass meine Freunde meinen Namen auf irgendeine Weise mit dem Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten oder der Kandidatur für dieses Amt in Verbindung bringen, wenn ich und meine Freunde als amerikanische Bürger unsere religiösen Rechte und Grundrechte genießen könnten.“1

Joseph Smiths Wahlprogramm wurde in einer Broschüre zusammengefasst, die den Titel trug: General Smith’s Views on the Power and Policy of Government (General Smiths Ansichten über die Macht und die Politik der Regierung). Das Hauptanliegen der Kampagne war, die Regierung in die Lage zu versetzen, die Rechte religiöser Minderheiten zu schützen, aber es wurde auch zu einer Vielzahl kontroverser Themen öffentlich Stellung genommen. Sein Wahlprogramm umfasste den Aufruf, den weiteren Ausbau des Gefängnisnetzes des Landes zu beenden, das Repräsentantenhaus zu verkleinern, eine neue Nationalbank zu gründen und die Landesgrenzen nur unter der Bedingung zu erweitern, dass die Indianer zustimmten. Joseph rief auch dazu auf, dass die Regierung die Sklaverei in den Vereinigten Staaten abschaffte und Einnahmen aus der Veräußerung eigener Ländereien im Westen der Vereinigten Staaten dafür verwendete, die Freiheit der versklavten Männer und Frauen zu erkaufen.2

Joseph Smiths Wahlbroschüre

Joseph Smiths Wahlbroschüre mit dem Titel Ansichten über die Macht und die Politik der Regierung der Vereinigten Staaten

Die Führer der Kirche erkannten, wie gut Druckerzeugnisse dafür geeignet waren, ihre Botschaft im ganzen Land zu verbreiten, und so druckten und verteilten sie tausende Exemplare von Joseph Smiths Wahlbroschüre. In New York gründeten Führer der Kirche eine Zeitung namens Prophet, in der über Josephs Kandidatur berichtet wurde und seine politischen Positionen mit denen der anderen Kandidaten im Wahlkampf verglichen wurden. Doch der Wahlkampf wurde nicht nur mit gedrucktem Material betrieben. Über 300 Mitglieder der Kirche erfüllten darüber hinaus im ganzen Land eine Mission mit dem Ziel der Stimmenwerbung.

Da es Präsident John Tyler nicht gelungen war, sich von seiner Partei aufstellen zu lassen, gab es keinen Amtsinhaber. Der Ausgang des Präsidentschaftswahlkampfs 1844 war daher völlig offen. Es war jedoch unwahrscheinlich, dass ein Kandidat von außerhalb des Zweiparteiensystems die Wahl gewinnen konnte. Einige waren der Ansicht, dass der Wahlkampf kein ernsthafter Versuch war, Joseph Smith zum Wahlerfolg zu verhelfen, sondern vielmehr ein Unterfangen mit dem Ziel, in einem Land, das mit seinem außergewöhnlichen Maß an Freiheit prahlte, inmitten zunehmender Verfolgung die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Notlage der Heiligen der Letzten Tage zu lenken. Zwar gestanden die Heiligen ein, dass selbst eine erfolglose Präsidentschaftskampagne zu einer derart förderlichen Bewusstseinsbildung führen konnte, doch die Führer der Kirche bestanden darauf, dass sie ihm zum Wahlerfolg verhelfen wollten. Sie wählten aus jedem Bundesstaat einen Wahlmann aus, was tatsächlich nicht der Öffentlichkeitsarbeit diente, sondern vielmehr dazu, dass das Wahlergebnis in der Bevölkerung sich auch im Wahlmännergremium niederschlug, falls die Kampagne in jedem der 24 Staaten, aus denen die Vereinigten Staaten damals bestanden, genügend Unterstützung fand. Die Führer der Kirche glaubten offenbar, dass Joseph Smith gewinnen konnte, wenn dies Gottes Wille war, doch glaubten sie nicht unbedingt, dass er auch wirklich gewinnen würde. Sie verfolgten daher auch andere Pläne, um die Heiligen von dem Druck und der Verfolgung, denen sie ausgesetzt waren, zu befreien. Unter anderem reichten sie beim Kongress der Vereinigten Staaten eine Petition ein, man möge die Stadt Nauvoo zu Bundesgebiet und Joseph zu einem General in der Armee der Vereinigten Staaten machen. Auch zogen sie die Möglichkeit in Erwägung, aus den Vereinigten Staaten auszutreten. Josephs Präsidentschaftskandidatur war demzufolge für die Führer der Kirche eine von mehreren Möglichkeiten, wie sie den Heiligen zu dem Frieden und Schutz verhelfen konnten, den sie brauchten, um Gott so zu verehren, wie es ihnen ihr Gewissen gebot.3

Anmerkungen

  1. Tagebuch von Wilford Woodruff, 8. Februar 1844, Historisches Archiv der Kirche, Salt Lake City

  2. Joseph Smith, General Smith’s Views of the Powers and Policy of the Government of the United States, John Taylor, Nauvoo/IL 1844

  3. Spencer W. McBride, „The Council of Fifty and Joseph Smith’s Presidential Ambitions“, in: Matthew J. Grow und R. Eric Smith, Hg., The Council of Fifty: What the Records Reveal about Mormon History, Religious Studies Center, Brigham-Young-Universität, Provo/UT 2017, Seite 21–30