„Prohibition“, Themen im Zusammenhang mit der Geschichte der Kirche
„Prohibition“
Prohibition
Zwischen 1800 und 1830 erreichte der Alkoholkonsum in den Vereinigten Staaten ein extrem hohes Ausmaß – im Durchschnitt konsumierte jeder ab dem Alter von 15 Jahren jährlich wahrscheinlich mehr als 26 Liter Alkohol. Dies ist dreimal so viel wie der Wert von 2016.1 Viele amerikanische Sozialreformer des 19. Jahrhunderts sahen im Alkoholkonsum einen nationalen Notstand und waren im Allgemeinen bestrebt, die Herstellung von Spirituosen zu unterbinden. Den sogenannten Abstinenzreformern ging es dabei um eine Vielzahl von Anliegen – die Produktivität der arbeitenden Klasse sollte verbessert werden, alkoholbedingter Gewalt sollte vorgebeugt werden und Trunkenheit wurde generell als schwere Sünde eingestuft. Einige Reformer traten für Maßhalten beim Trinken ein, während sich andere gegen jeglichen Alkoholkonsum aussprachen. Und wieder andere wünschten sich Gesetze gegen Herstellung, Vertrieb und Verkauf von Alkoholika.2 Zu den bekannteren Abstinenzgruppierungen zählten etwa der Mäßigkeitsverein Woman’s Christian Temperance Union, die Abstinenzbewegung American Temperance Society sowie die Liga gegen Alkoholkonsum Anti-Saloon League. Diese setzten sich für ein generelles Alkoholverbot und für Aufklärung, was den Alkoholkonsum betrifft, ein und wurden somit zur damals größten Reformbewegung in der Gesellschaft.3 Um die Wende zum 20. Jahrhundert wuchs die Zahl der Unterstützer eines generellen Alkoholverbots. Mehrere Bundesstaaten verabschiedeten Gesetze gegen den Alkoholkonsum, andere wiederum gaben den Städten und Landkreisen vor Ort die gesetzliche Handhabe, den Alkoholverkauf zu verbieten.4
Den Heiligen der Letzten Tage wurde zwar im Wort der Weisheit ans Herz gelegt, sich des Weins und starker Getränke zu enthalten, doch Alkoholika waren um 1900 in Utah noch weithin erhältlich.5 1909 wurde eine Gesetzesvorlage, die ein Alkoholverbot in ganz Utah vorsah, vom Senat gekippt. Das Parlament von Utah verabschiedete daraufhin einen weiteren Gesetzesentwurf, gegen den allerdings Gouverneur William Spry, ein erklärter Gegner der Prohibition, sein Veto einlegte.6 Zwei Jahre später verabschiedeten das Parlament und der Gouverneur eine Gesetzesvorlage, nach der Städte in ganz Utah per Abstimmung entscheiden sollten, ob sie den Verkauf von Alkohol in ihren Stadtgrenzen verbieten wollten. Salt Lake City, Ogden und weitere Städte mit einem hohen Anteil an Einwohnern, die nicht der Kirche angehörten, stimmten gegen ein Verbot des Alkoholverkaufs, wohingegen die meisten anderen Städte dafür stimmten.7 Eine weitere Prohibitionsinitiative, die für ganz Utah gelten sollte, scheiterte 1915, doch 1917 wurde ein dritter Gesetzentwurf angenommen. Zwei Jahre später ratifizierte das Parlament von Utah den 18. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten, der im ganzen Land die Prohibition durchsetzte.
Die öffentliche Meinung in den Vereinigten Staaten wandte sich in den nächsten zehn Jahren allerdings gegen das Alkoholverbot. Im Jahr 1933 stimmte der Kongress der Vereinigten Staaten mit überwältigender Mehrheit für die Aufhebung der Prohibition. Damit der neue Zusatzartikel in Kraft treten konnte, musste er jedoch von drei Viertel aller Bundesstaaten ratifiziert werden.8 Die Heiligen der Letzten Tage in Utah waren geteilter Meinung, doch der Bundesstaat stimmte letztendlich für die Ratifizierung.9 Das war eine herbe Enttäuschung für Präsident Heber J. Grant, der sich gegen die Aufhebung der Prohibition ausgesprochen und die Mitglieder aufgefordert hatte, sich jedenfalls genau an das Wort der Weisheit zu halten.10 Mit Utah erreichte der Kongress somit die Dreiviertelmehrheit, und der 21. Zusatzartikel wurde Gesetz. Die Prohibition in den Vereinigten Staaten war demnach wieder abgeschafft. Im Jahr 1933 stimmten auch die Bürger Utahs für die Aufhebung des Alkoholverbots im gesamten Bundesstaat.11
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