Geschichte der Kirche
Joseph Smiths Beinoperation


„Joseph Smiths Beinoperation“, Themen im Zusammenhang mit der Geschichte der Kirche

„Joseph Smiths Beinoperation“

Joseph Smiths Beinoperation

Als Neuengland zwischen 1811 und 1814 von einer großen Typhusepidemie heimgesucht wurde, lebte die Familie von Joseph Smith Sr. und Lucy Mack Smith genau dort, wo sie ausgebrochen war. Alle sieben Kinder erkrankten. Am schlimmsten traf es Joseph Smith Jr. und seine ältere Schwester Sophronia. Dank der rechtzeitigen Operation durch einen ortsansässigen Chirurgen, der das dabei angewandte Verfahren selbst entwickelt hatte, überlebte der junge Joseph und verlor nicht sein linkes Bein.1

Chirurgische Werkzeuge aus dem frühen 19. Jahrhundert

Chirurgische Werkzeuge aus dem frühen 19. Jahrhundert

Einige Monate vor der Operation litten Joseph und seine Geschwister an schrecklichem, von Typhus hervorgerufenem Fieber. Die Infektion verursachte zunächst einen Abszess in Josephs Schulter und befiel bald darauf die Knochen in seinem linken Bein, was eine überaus schwere Entzündung mit sich brachte. Drei Wochen lang quälten den siebenjährigen Jungen heftige Schmerzen. Seine Mutter Lucy erinnerte sich später daran, dass er ausgerufen hatte: „O Vater, … die Schmerzen sind so schlimm! Wie kann ich sie nur ertragen[?]“ Dr. Stone, ein Chirurg aus Hanover in New Hampshire, untersuchte das Bein und nahm zwischen Knöchel und Knie einen 20 Zentimeter langen Schnitt vor, mit dem er die Schwellung zu verringern hoffte. Lucy Smith musste mit ansehen, wie sich der Zustand ihres Sohnes verschlechterte und die Schmerzen „so schlimm wie nie zuvor“2 wurden. Josephs Bruder Hyrum saß manchmal bei ihm und übte auf das Bein Druck aus, um die Schmerzen zu lindern.

Dr. Nathan Smith, Gründer des in der Nähe gelegenen Dartmouth Medical College, suchte die Familie mit einigen weiteren Chirurgen auf, wahrscheinlich einigen seiner Medizinstudenten.3 Sie empfahlen ganz sachlich, das infizierte Bein zu amputieren. Vielleicht empfahl Dr. Smith die Amputation, damit Joseph und seine Familie eher in eine experimentelle Operation einwilligten. Dabei handelte es sich um ein riskantes Verfahren, das Dr. Smith 15 Jahre zuvor entwickelt hatte. Bei der Operation schnitt man direkt in den Knochen und entfernte die infizierten Bereiche, damit an deren Stelle gesundes Gewebe nachwachsen konnte. Lucy Smith und Joseph Jr. willigten in die Operation ein.

Lucy Smith erinnerte sich später daran zurück, dass ihr Sohn es abgelehnt hatte, Beruhigungsmittel einzunehmen oder mit Stricken ans Bett gebunden zu werden. Stattdessen bat er seinen Vater, ihn zu halten, und seine Mutter, den Raum zu verlassen. Dr. Smith entfernte neun große infizierte Knochenteile. Vierzehn weitere Fragmente drangen während der Heilungsphase nach und nach aus Josephs Bein heraus. Die Genesung dauerte Jahre. Als Joseph und seine Familie vier Jahre später in den Bundesstaat New York zogen, ging er immer noch an Krücken, und als Erwachsener humpelte er noch ein wenig. Die Operation bedeutete für Familie Smith eine finanzielle Last, und sie musste die Arztrechnungen über Jahre hinweg mühsam abzahlen.

Dennoch war die Operation selbst bemerkenswert. Nathan Smith lebte nur wenige Kilometer von Familie Smith entfernt und war 1813 möglicherweise der einzige Chirurg in den Vereinigten Staaten, der in der Lage war, Josephs Bein zu retten. Später veröffentlichte er sein Operationsverfahren, aber die Operation erforderte ein solches Geschick, dass viele Ärzte das Verfahren erst nach dem Ersten Weltkrieg übernahmen.

Lucy Mack Smiths Bericht über die Operation weckt Interesse, weil es sich dabei um eine der wenigen dokumentierten Geschichten aus Joseph Smiths früher Kindheit handelt. Lucy schrieb ihre Schilderung fast drei Jahrzehnte später auf, nachdem sie sich die Ideale der amerikanischen Abstinenzbewegung zu eigen gemacht hatte. So betont sie in ihrem Bericht, dass Joseph sich weigerte, gegen die Schmerzen Alkohol zu sich zu nehmen. In dem Bericht geht sie außerdem darauf ein, was für ein traumatisches Erlebnis es für sie war, wie ihr Sohn die lebensgefährliche Operation durchlitt.

Verwandte Themen: Lucy Mack Smith, Familie von Joseph Smith Sr. und Lucy Mack

Anmerkungen

  1. In den zeitgenössischen Berichten wird diese Krankheit unterschiedlich genannt, mal Typhusfieber, mal Fleckfieber, mal Meningokokken-Meningitis und mal Typhus. Die Kinder der Smiths erkrankten zwar an Typhus, doch meinten die Ärzte, dass bei einigen von ihnen Symptome von Pocken, Scharlach und Cholera vorlagen. Insgesamt forderte die Epidemie rund 6000 Menschenleben, größtenteils Kinder zwischen drei und neun Jahren, denn sie waren für Typhus am anfälligsten.

    Joseph Smiths Mutter Lucy berichtete später, dass die neunjährige Sophronia schon 90 Tage lang mit der Krankheit zu kämpfen hatte, als sie plötzlich regungslos dalag und aufhörte zu atmen. Lucy Smith wickelte Sophronia in eine Decke, nahm sie auf die Arme und ging mit ihr im Zimmer auf und ab. Nachbarn, die bei ihr waren, wollten sie schon davon überzeugen, dass ihre Tochter gestorben war. Doch Lucy Smith machte bis zur Erschöpfung weiter, und schließlich wachte Sophronia auf, schnappte nach Luft und weinte. Sie erholte sich wieder und wurde schließlich 73 Jahre alt (siehe Lucy Mack Smith, „Lucy Mack Smith, History, 1844–1845“, Buch 2, Seite 10f., josephsmithpapers.org).

  2. Lucy Mack Smith, „Lucy Mack Smith, History, 1844–1845“, Buch 2, Seite 11. Joseph glaubte, dass der Abszess von seiner Schulter in sein Bein gewandert war. Angesichts der möglichen Diagnose, dass es sich um Typhus oder ähnliche Infektionen handelte, hatte Joseph wohl eher eine den ganzen Körper betreffende systemische Infektion, die zwei separate Infektionsherde hervorrief – einen in der Schulter und einen weiteren in dem Knochen in seinem Bein (siehe Joseph Smith, „Addenda, Note A, 1805–1820)“, in: „History, 1838–1856, volume A-1 [23 December 1805–30 August 1834]“, Seite 131, josephsmithpapers.org; LeRoy S. Wirthlin, „Joseph Smith’s Boyhood Operation: An 1813 Surgical Success“, BYU Studies, 21. Jahrgang, Nr. 2, Frühjahr 1981, Seite 148).

  3. Oliver S. Hayward und Constance E. Putnam, Improve, Perfect, and Perpetuate: Dr. Nathan Smith and Early American Medical Education, University Press of New England, Hanover, New Hampshire 1998, Seite 183f.; Nathan Smith war nicht mit Joseph Smith Sr. verwandt.